piwik no script img

Aufruf zum Volksaufstand in Haiti

■ Große Parteien und Arbeitgeber der verarmten Karibik-Insel wollen Rücktritt des Machthabers Avril erzwingen / Armee-Oberkommando fordert Soldaten zum Gewaltverzicht auf

Port-au-Prince (afp - Auf Haiti spitzt sich die Lage zu. Elf Parteien aller politischer Couleur riefen in einer gemeinsamen Erklärung zum Volksaufstand gegen Militärmachthaber Prosper Avril auf. Der Forderung nach Rücktritt Avrils schlossen sich am Donnerstag auch die beiden großen Arbeitgeberverbände an. Das Oberkommando der Armee rief unterdessen die Soldaten auf, auf jede Gewaltanwendung gegenüber der Zivilbevölkerung zu verzichten. Die elf Parteien erklärten in ihrem Aufruf, die Regierung sei „eine Gefahr für die Allgemeinheit“ und dürfe nicht länger an der Macht bleiben. General Avril schloß am Mittwoch abend in einem Rundfunk- und Fernsehinterview einen Machtverzicht nicht mehr aus, falls dies „wirklich im Interesse des Landes“ sei. Gegenüber Radio Metropole und Tele Haiti, zwei privaten Sendern, sagte er in seinem Amtssitz, dann sei es auch für ihn persönlich besser, „nach Hause zu gehen und die Macht aufzugeben“. Sowohl die haitische Handelskammer (CCH) als auch der Industrieverband Haitis (ADIH) unterstützten am Donnerstag die Forderung der elf wichtigsten Parteien des Landes. Die Arbeitgeber sprachen von einer blockierten politischen Lage, einer gefährlichen sozialen Krise und einer am Boden liegenden Wirtschaft. Angesichts dieser Situation solle die Militärregierung zurücktreten.

Am Montag hatten bereits sechs Bürgerbewegungen den Rücktritt des Militärmachthabers gefordert, der im September 1988 durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen war. Falls Avril nicht bis Donnerstag auf sein Amt verzichtet, sollte er nach dem Willen der Bürgerbewegungen durch einen Volksaufstand dazu gezwungen werden. Die Spannungen in Haiti hatten sich verschärft, nachdem am Montag in der Stadt Petit -Goave, 70 Kilometer südöstlich von Port-au-Prince, am Rande einer Protestkundgebung ein elfjähriges Mädchen von Soldaten erschossen worden war. Die Regierung hat eine Militärkommission zur Aufklärung des Vorfalls nach Petit -Goave geschickt. Nach dem Wunsch der elf Parteien soll an die Stelle Avrils ein Richter des Kassationshofes treten, der dann als Präsident einer Übergangsregierung freie Wahlen in Haiti vorbereitet. An den für dieses Jahr von der Militärregierung geplanten Wahlen wollen sich die Parteien nicht beteiligen. Ihre wichtigste Kraft ist die Nationale Allianz für Demokratie und Fortschritt (ANDP), ein Bündnis von „gemäßigten“ Politikern, Sozialisten und Sozialdemokraten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen