CDU will auf den Kulturzug

■ Kulturpolitische Fachtagung in der Bürgerschaft / Beispiel Bremer Gesprächskultur

Das eine Vakuum, das die CDU füllen möchte, entstand durch ihre jahrzehntelange Berührungsangst mit der gesellschaftliche Nische namens „Kultur„; das andere Vacuum entstand mit dem Verschwinden des alten Kultursenators, der ein Loch hinterließ, in das sich der neue noch nicht so recht eingepaßt hat. Jetzt aber! Die Bremer CDU will die Kultur linken Zirkeln entreißen, dazu

macht sie erst einmal eine Fachtagung: „Kultur sichert Lebensqualität - Anforderungen an den Standort Bremen“ hieß es gestern in der Bürgerschaft vor persönlich eingeladenem Publikum. Mitglieder des Theatervereins, Menschen von der Kulturbehörde, „Schlachthof„mitarbeiter, KünstlerInnen, Stadtteilbeiräte, SPD-BürgerschaftlerInnen und reiferes Opernpublikum waren gekommen. Zu erleben gab es in Arbeitskreisen Norbert Kentrup von der Shakespeare-Company; Dietmar Schmidt, FR-Theaterkritiker, Filmemacher und Koordinator der Kulturarbeit von 25 nordrheinwestfälischen Kommunen; Freiherrn von Campenhausen, Präsident der „Klosterkammer“ Hannover. Nach unüberprüften Aussagen der CDU lag der Parteimitgliederanteil im Publikum unter 15%.

Mit einem Bonbon in Gestalt einer Forderung konnte zu Beginn Fraktionsvorsitzender Peter Kudella aufwarten. CDU -Fraktionsbeschluß: „Die Forderung des deutschen Städtetages wird unterstrichen, daß die Aufwendungen für den Kulturbereich mindestens 3% der kommunalen und wegen der bremischen Verfassungsstruktur auch des staatlichen Haushalts betragen sollen. In einem Stufenplan sind die entsprechenden Mittel aufzuweisen.“

Bei Addition aller, auch versteckter Mittel für die Kultur in Bremen kommt Kudella auf eine Differenz zur Städtetag -Forderung, die sich auf etwa 40 Millionen DM beläuft. Dabei sind aber auch Lotto-und ABM-Mittel, die freiwerden müssen zur „Finanzierung kultureller Sonderaufgaben und zur Zusatzförderung“.

Das eigentlich Spannende passierte in den Arbeitsgruppen zu „Kulturfinanzierung“, „Steigerung der kulturellen Attraktivität“ (Schmidt) und „Breitenkultur“ (selbstredend Kentrups Thema). Mit dem buntgemischten Publikum entwickelte sich ein im besten Sinne „kulturpolitisches Palaver“. Zu den praktikabelsten Thesen kam man bei Dietmar Schmidt, dessen „Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit“ in Wuppertal schon 15 Jahre richtungsweisend tätig ist. Schmidt empfahl mehrere NRW-Aktivitäten zur Nachahmung: Ein regelmäßiges „Festival der Völker“ stellt in diesem Jahr die Kulturen der Republiken der UdSSR vor; es gibt das Projekt „Neues Musiktheater“. Für Bremen fiel ihm die Fortsetzung der Tradition „anstößiges Theater“ ein. Schmidts Prämisse: Um dem Stanort Glanz zu verleihen, müsse man sich mit Kunst/Kultur profilieren, die „es schwer habe“, und sich absetzen von den „Verwurstungsstrategen“ des „neuen Kulturmanagements“, das von aufgeblasenen Multimediaereignissen lebt. An die CDU gerichtet: „Keine Experimente“ darf für die Kulturpolitik überhaupt nicht mehr gelten.

Hoch her ging's zum Teil in Kentrups Arbeitskreis „Kulturelle Vielfalt durch weitgefächerte Breitenkultur“. Dafür sorgten einerseits seine prononcierten Thesen zur hochsubventionierten und innigst verwalteten

Hochkultur und der Verzichtbarkeit des Apparats (in persona Manske anwesend). Aber auch die vielfältige Interessenslage des engagierten Publikums belebte: Fußballkultur prallte auf ergraute Opernfans, Linksderweser beutelte City, selbst „Sprechkultur“ wurde angemahnt (Kentrup hatte getönt: „3% ist eh fürn Arsch! “). Dessen Liebe zur CDU erhellte sein Satz: „Wo ich die CDU sehr mag: Spitzenkultur muß man einfach genießen“. Sein Credo der Kulturarbeit ist naiv und hat schon mal funktioniert: Erwachsene Menschen können sich zusammensetzen und alles bereden und auch einen Etat verteilen. Alles eine Frage der Kultur des Zusammenlebens. Genau wie die Sorge der alten Dame, die bemängelte, daß es zur Kulturzeit überwiegend dunkel und die Straßen unsicher seien.

Den blassesten Beitrag lieferte der Mann mit dem kuriosen Job an der „Klosterkammer“ Hannover, einem Relikt aus der Zeit landesherrlichen Kirchenregiments, von Campenhausen. Er kulminierte im Vorschlag, gemeinsame staatlich-private Stiftungen zu bilden, die bestimmte kulturelle Bereiche gezielt fördern. Es fehlte nicht der Hinweis, daß die Koalition noch in dieser Legislaturperiode eine Novelle des Stiftungsrechts verabschieden will. Im übrigen empfahl von Campenhausen „Seelenmassage“ der potentiellen Mäzene besonders durch entsprechendes „politisches Klima“.

Ob die CDU-Fachtagung im Haus der Bürgerschaft politisch etwas bewegt, darf man getrost bezeifeln. Eins hat sie mit Gewißheit geschafft: Die Hebung der Gesprächs-und Streitkultur in Bremen.

Burkhard Straßman