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Behinderte Kinder ab in Sonderschulen

■ Nur zwei von sieben Integrationsklassen genehmigt / Eltern: Stellen der SonderschullehrerInnen an die Grundschulen

„Wenn jemand in unserem Kindergarten nach den Behinderten fragen würde, gäbe es bei den Kleinen ratlose Gesichter. Unsere Kinder nehmen ihre behinderten SpielgefährtInnen nicht als etwas Besonderes wahr“, heißt es in einem Bericht aus der Kita Wal

ler Park. Spätestens in Bremer Grundschulen aber soll „Integration“, das Zusammensein von behinderten und nichtbehinderten Kindern, auch im neuen Schuljahr 90/91 nur in Ausnahmefällen stattfinden.

Entsprechend dem Vorschlag

des neuen Bildungssenators und früheren Integrations -Sozialsenators Henning Scherf, beschlossen gestern alle außer dem grünen Bildungs-Deputierten: Ablehnung von fünf beantragten Grundschul-Integrationsklassen; nur an den Schulen Robinsbalje

und Burgdamm wird je eine eingerichtet. Leer ausgehen die Kinder an der Nordstraße, Am Wasser, an der Wigmodistraße, in Mitte (Zütphenhaus). Auch der Antrag für eine Orientierungsstufen-Klasse an der Robinsbalje wurde abgelehnt.

„Unsere Kinder sollen nach den Jahren gemeinsamen Spielens und Lernens wieder ausgesondert und quer durch die Stadt in Spezialschulen transportiert werden“, sehen die betroffenen Eltern kommen. Dabei sei doch Integration statt Aussonderung in Bremen bildungspolitisch gewollt und käme, unbestritten, schon wegen der guten Lehrer-und Sachmittel-Ausstattung dieser Klassen auch den nichtbehinderten Kindern zugute. An verschiedenen Schulen existieren erfolgreich getestete Modellversuche, und die zugehörigen Eltern, LehrerInnen und Schulleitungen sprechen sich dringend für Fortsetzung und Einrichtung aus.

Mit dem Verdacht, daß trotz pädagogischer Begründung die Finanzen eine erhebliche Entscheidungs-Rolle spielen, rechneten gestern betroffene Eltern und der grüne Deputierte Hans-Joachim Sygusch der Presse vor: „Für je drei behinderte Kinder plant die Behörde sowieso eine Sonderschul -Lehrerstelle ein - die müßten die kooperationsbereiten KollegInnen dann nur mitnehmen; in die Grundschulen, so ist unser Modellversuch zustandegekommen“, so Helga Meier von der Grundschule Am Wasser.

Die Behörde argumentiert gegen die beantragten Integrationsklassen pädagogisch: Zunächst müßten noch mehr Erfahrungen gemacht und Spezialfragen geklärt werden. Und dann solle irgendwann Integration flächendeckend kommen, nicht kleckerweise. Die Eltern: „Ohne Versuche keine Erfahrungen. Und die gibt es schon hier, bundesweit und international.“ S.P

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