Schlachtrufe im Schlachthof

■ 500 ErzieherInnen in Kampfstimmung / Kita-Arbeitsbedingungen miserabel

Die Kesselhalle des Schlachthofes quoll über von Menschen. Bis in die obersten Reihen und auf der Bühne, rings ums Podium saßen und standen sie, dichtgedrängt bis zum Ausgang.

Nicht ein Konzert brachte gestern vormittag die Massen in Wallungen, sondern eine kurzfristig anberaumte Personalversammlung der KollegInnen in Bremischen Kindertagesheimen, einberufen von den Personalräten des Amtes für Soziale Dienste.

Auf dem Podium: VertreterInnen der Personalräte in Bremen und in Berlin, wo rund 4.500 ErzieherInnen bereits seit acht Wochen streiken.

Die Stimmung war auch im Schlachthof aufgebracht, die Anwesenden bereit, von den Streikenden in Berlin zu lernen. Bundesweite Solidarität scheint angesagt, weil der Berliner Senat Verhandlungen mit dem Hinweis auf die überregionale Bedeutung und die zu erwartenden Folgen ablehnt.

Regelmäßig gab es in den vergangenen Jahren auch in Bremen verschiedenste Aktionen gegen Personalmangel, Arbeitsüberlastung und Raumnot in den Kindertagesheimen. „Getan hat sich nichts“, sagt Personalratsmitglied Ilse Grunewald.

Verschiedene KollegInnen schilderten - von zustimmendem Applaus unterbrochen - die Zustände. Eine Erzieherin: „Viele behinderte Kinder durchlaufen ihre gesamte Kindergartenzeit, ohne ein einziges Mal therapeutisch betreut worden zu sein.“ Im Fehrfeld wird in einem Fahrradkeller gehaust und auf zwei Kochplatten für 30 Kinder und acht Beschäftige gekocht. „Wenn der Koch krank ist, kocht die Reinigungskraft, und wir putzen selbst“, sagt eine Kita-Leiterin.

Damit eine konzeptionell vernünftige Arbeit möglich wird, fordert die Personalversammlung kleinere Kinder-Gruppen, mehr Vorbereitungszeit und Fortbildungsangebote und eine Verdoppelung des Personals. Die Kita-LeiterInnen sind oftmals nur mit der Organisation des Personalnotstands und der Einrichtung von Notdiensten beschäftigt. Bessere Bezahlung und der Neubau von Einrichtungen seien überfällig.

Nicht gegeneinander ausspielen lassen, lautet die Devise. Es gibt Aufrufe zur Solidarität mit den Freien Trägern, den Eltern, den verschiedenen Kollegengruppen und Städten. Das ist auch das Motto von Personalratsvorsitendem Rainer Müller, der die Forderungen zusammenfaßt. Und: „Nur wer organisiert ist, kann streiken. Die Beitrittsformulare liegen hier vorne.“

Am Mittwoch hatte Sozialsenatorin Sabine Uhl die Personalräte noch wegen der kurzfristigen Anberaumung der Versammlung gerügt und im Wiederholungsfall gerichtliche Schritte angekündigt. Mit der unangemeldeten Schließung der Kitas zugunsten ihrer Protestversammlung trügen die ErzieherInnen ihre Anliegen auf dem Rücken der Eltern aus.

Elternbeiratsmitglied Drewes ist da allerdings ganz anderer Meinung: „Was die ErzieherInnen jetzt erreichen, erreichen sie auch für unsere Kinder.“ Auch die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Helga Trüpel bekundete gestern ihre Solidarität mit den Kita-Beschäftigten.

Bis zum Sommer soll in Gewerkschafts-und Betriebsgruppen diskutiert werden, damit es ein heißer Herbst wird.

bea

Für Montag hat der Gesamtelternbeirat einen Sternmarsch mit anschließender Kundgebung auf dem Marktplatz organisiert. Los geht's um 16 Uhr vom Ziegenmarkt, vom Leibnizplatz, vom Bahnhof und vom Berufsbildungszentrum.