Ökotrip ins Jahr 2000

■ Dem sanften Reisen gehört die Zukunft. Mit der TUR in den Ferienklub "Ökovision" nach Tunesien

Rüdiger Kind ÖKOTRIP INS JAHR 2000

Dem sanften Reisen gehört die Zukunft. Mit der TUR

in den Ferienklub „Ökovision“

nach Tunesien

Als ich die lebensbejahend gestalteten Räume des TUR -Reisebüros betrat, begrüßte mich eine freundlich lächelnde Mitarbeiterin in der lindgrünen TUR-Uniform: „Hallo, mein Name ist Elvira Löblein. Wo wollen Sie denn Ihren TURlaub verbringen?“ Ihr glockenreines Lachen, das sofort danach einsetzte, verwirrte und entspannte mich zugleich. Ich stammelte etwas von „umweltverträglich“ und „sozialverantwortlich“, daraufhin führte sie mich in die naturfarben gehaltene Öko-Lounge, wo sie mir eine Tasse Malventee anbot. An der Wand hingen Sinnsprüche wie „Unsere ethnische Grundlage ist Vertrauen“ und ein Diplom „Partnerschaftspreis für vorbildlich gestaltete Kundenberatung“. Im Hintergrund erklang leise Sphärenmusik bezaubert überließ ich mich ihrer ganzheitlich orientierten Beratung.

Nach einer mehrminütigen Einführung in die ökologischen Leitbilder des Unternehmens war es keine Frage mehr, daß ich meinen Urlaub in einer der besonders umweltsanften Klubanlagen der TUR verbringen würde. „Da hätten wir das Passende für Sie - unser Ferienklub „Ökovision“ in Tunesien, ausgezeichnet mit drei grünen Sternen, der blauen Fahne für sauberen Strand und dem grünen Kinderwagen. Außerdem, aber das versteht sich ja fast von selbst, beziehen wir unsere Energie aus dem klubeigenen Solarkraftwerk.“ Sie schob mir den farbenprächtigen Katalog aus Recyclingpapier zu. „Und was bedeutet 'KA‘?“ „Oh, fast hätte ich es vergessen. Selbstverständlich verfügt die Anlage über eine eigene Kläranlage!“ Ich war begeistert. Zwar war das Angebot nicht ganz billig, aber lieber Hochpreis- als Hochhaustourismus.

Ein vorbildlicher Service, zuvorkommend, aber nicht anbiedernd, professionell, aber unbedingt wahrhaftig und dazu noch auf ganzheitlich partnerschaftlicher Grundlage, ein Unternehmen mit einer Sinngebung, die der meinen fast völlig entsprach. Ich war sicher, daß ich für die schönsten Wochen des Jahres die richtige Wahl getroffen hatte. Ökosoziales Umfeld

Zwei Wochen vor dem Ferienbeginn wurde ich von Elvira, meiner persönlichen TURlaubsberaterin, zum Gästeinformationsabend eingeladen. Ein qualitativ an Ökologie orientierter Diavortrag informierte uns über die Einbettung unseres Ferienklubs in das ökosoziale Umfeld - wir würden auf keinen Fall eine touristische Monokultur vorfinden -, aber auch auf die umweltpolitischen Problemzonen der Region wurden wir aufmerksam gemacht. Sprach- und Reiseführer sowie Sympathiemagazin wurden uns ausgehändigt, ein Fragebogen über unsere Urlaubserwartungen ausgefüllt - kurz, eine vorbildliche Reisevorbereitung, wie man sie vor wenigen Jahren allenfalls in weltfremd-tourismuskritischen Zirkeln diskutiert hatte. Ökotriebwerke

Der Flug nach Tunesien verlief äußerst informativ. Zuerst durften wir einen Fragebogen über die Qualität der Reisevorbereitung ausfüllen. Als wir keine Landeerlaubnis erhielten und eine halbe Stunde lang Warteschleifen drehen mußten, erläuterte uns der Flugbegleiter der Lufthansa, daß die Ökotriebwerke unseres Jets nicht nur kein Ozon zerstörten, sondern umgekehrt in der Lage seien, Ozon zu produzieren. So hatte die Warterei wenigstens etwas Gutes für die Umwelt. Die Landung, so kam es mir jedenfalls vor, war ungewöhnlich sanft.

Die Kamelkarawane, die uns vom Flughafen in die Ferienanlage bringen sollte, wartete schon. Nach zweistündigem Ritt auf der dichtbefahrenen Schnellstraße, vorbei an Autofriedhöfen, Fabriken und Lagerhallen waren wir alle recht gut auf den sanften Lebensrhythmus der kommenden Wochen eingeschaukelt. Aber ehrlich gesagt, wir waren doch froh, als unser Vorreiter die Ausfahrt zu unserem Klub nahm. Landestypische Baukörper

Anfangs nahmen wir ihn kaum wahr - so geschickt waren die landestypischen Baukörper des Klubdorfes in die Landschaft eingepaßt. Genauso, wie es im Katalog beschrieben war, schmiegen sich die Bungalows an einen Hügel an. Es war der Lärmschutzwall am Rande der Autobahn.

Nach der Zuweisung der Zimmer ging es erst mal unter die Brauchwasserdusche. Die Räume benötigten aufgrund der extrem kleinen Fenster keinerlei Zwangsklimatisierung - und außerdem fiel kaum auf, daß unmittelbar vor meinem Bungalow die Becken der Kläranlage standen. Beim anschließenden Begrüßungsumtrunk erklärte uns der Klubmanager in perfektem Deutsch die ökologische Unternehmensphilosophie: „Jeden Tag eine umweltschützende Tat“, und überreichte jedem Gast ein Exemplar der Klubzeitung. Dann teilte er Fragebögen aus... Umwelteuphorie und Ökoinstinkte

Am nächsten Tag dann Frühstücksbuffet „mit allem“, nur die gewohnten Minipackungen fehlten. Danach ging ich zum Strand. Ein Schild klärte mich auf, daß das Meer zur Zeit leider von einer Feuerqualleninvasion heimgesucht werde. Einen Swimmingpool gab es nicht. Dafür Yussuf, einen Animateur, der uns ganz schnell auf andere Gedanken brachte: Jeder Gast sollte ein Bäumchen pflanzen, so würde der Lärmschutzwall nach und nach begrünt. Besonderen Wert legte er darauf, daß jeder ein Namensschild an „seinem“ Baum anbrachte, nächstes Jahr würden wir dann sehen, wie groß er schon geworden sei. „Stammgastpflege“ hieß das Stichwort auf Yussufs Checkliste, die er nur selten aus der Hand legte.

Yussuf war wirklich ein hochmotivierter Mitarbeiter, der auf jede Kritik mit Engelsgeduld einging und sie sofort in einen positiven Vorschlag umwandelte. Als sich ein Gast über die Quallen beschwerte, konterte er mit der Aufforderung, mit dem Boot hinauszufahren und sie mit Netzen einzufangen. „Wir dürfen nicht nur reden - wir müssen selbst etwas tun, jeder muß in seinem Bereich anfangen.“ Gesagt, getan. Am Abend hatten wir alle das Gefühl, etwas Sinnvolles für unsere Umwelt getan zu haben. Und letzten Endes war es viel unterhaltsamer, als den ganzen Tat untätig am Strand herumzuliegen.

Yussufs Animationsprogramm war voll auf unsere Umwelteuphorie zugeschnitten. Unter dem Motto „Gemeinsam entsorgen macht Spaß“ sammelten wir das reichlich anfallende Papier - hauptsächlich Hauszeitungen und Fragebögen - und brachten es mit Eselskarren zur kommunalen Mülldeponie - ein Heidenspaß für Jung und Alt. Yussuf verstand es ausgezeichnet, unsere Ökoinstinkte zu wecken und sie in sinnvolle Aktivitäten zu kanalisieren. Ganz im Sinne einer ganzheitlich-vernetzten Lebensweise fand mancher statt beim Surfen beim Kartoffelschälen den Kontakt zur Natur. Miß Umwelt

Allmählich näherte sich der Urlaub dem Höhepunkt: Beachparty mit Wahl zur Miß Umwelt! Die Frau, die den besten Vorschlag für einen sanften Umgang mit der Umwelt einbringen konnte, sollte prämiert werden. Gerda F. aus Sonthofen kam mit ihrer schönen Idee, das dritte Becken der klubeigenen Kläranlage, in dem das Wasser ja schon fast zur Trinkqualität aufbereitet war, zum Swimmingpool umzurüsten, leider nur auf den zweiten Platz. „Miß Umwelt 2000“ wurde verdientermaßen Anita T. aus Zwickau: Ihr Vorschlag, die Quallen doch bitte nicht weiter zu quälen, sondern sie als bewahrenswerten Teil der Schöpfung zu begreifen, stieß auch bei der Klubleitung auf große Zustimmung. Harakiri

Leider wurde die als ausgelassen zu bezeichnende Stimmung der Beachparty durch einen unglücklichen Zwischenfall getrübt. Ausgerechnet zum Abschluß des ökologisch so gelungenen Ferienaufenthaltes wurde das Essen am Strand auf Plastiktellern, noch dazu mit Plastikbesteck serviert! Dieser unverzeihliche Fauxpas traf den Klubmanager ins ökologische Mark, trieb ihn in höchste Grade einer Erregung, die sich in der fristlosen Kündigung des Kellners (Verursacherprinzip!) entlud - jedoch nicht vor ihm selbst, dem umweltpolitisch Verantwortlichen, haltmachte: Nach einer mit orientalischer Heftigkeit vorgetragenen Selbstanklage erhob der Klubchef in theatralischer Geste das Frevelwerkzeug und rammte es sich in den Leib. Nur gut, daß das Messer aus Plastik war!