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Machtwechsel in Masaya

Mit seiner jüngsten Tochter im Arm lächelt Daniel Ortega von den Wahlplakaten. Umnebelt vom Geruch von Sägemehl und Kaltleim hängen die Porträts der neun Kommandanten der sandinistischen Führung an den Wänden. Das Kreischen der Kreissäge erfüllt die Halle, in der ein paar Jugendliche mit der Herstellung von Tischen und Schulbänken beschäftigt sind. Die „Werkstatt Tonio Pflaum“ im indianischen Stadtteil Monimbo der 80.000-Einwohner-Stadt Masaya ist eines der Musterprojekte bundesdeutscher Solidaritätsarbeit.

Dank Großaufträgen ausländischer Organisationen ist der Betrieb seit gut zwei Jahren wirtschaftlich tragfähig. Mit Spendengeldern aus der hessischen Partnerstadt Dietzenbach werden hier außerdem jährlich rund 15 Jugendliche als Tischler ausgebildet. Auch die angeschlossene Automechanikerwerkstatt, die von einem Unterstützerkreis in Mannheim getragen wird, ist mittlerweile rentabel.

Wie soll es jetzt weitergehen? „Das fragen wir uns auch“, seufzt Telma Fernandez, die - noch - in der Stadtverwaltung von Masaya die Abteilung für internationale Zusammenarbeit leitet. Bunt zusammengewürfelte Collagen aus Fotos, Zeichnungen und Informationsmaterial in mehreren Sprachen an den Wänden belegen, daß Masaya nicht nur in der Bundesrepublik Freunde hat. Partnerstädte sind auch das britische Leicester, Nijmegen in den Niederlanden und das belgische Alken. Bisher haben aber nur die Deutschen klar gesagt, daß sie weiterarbeiten wollen.

Die „Werkstatt Tonio Pflaum“, benannt nach dem 1983 von Contras ermordeten Arzt aus Freiburg, ist ein Mikrokosmos der nicaraguanischen Gesellschaft. Fanden anfangs nur stramme Sandinisten und Angehörige von im Kampf gefallenen „Märtyrern der Revolution“ Zugang zur Ausbildung als Tischler oder Automechaniker, so tummeln sich dort heute Jugendliche aller politischer Strömungen. Bei den Wahlen am 25.Februar lag die FSLN in Masaya ganze 20 Prozent hinter dem Rechtsbündnis.

„Wahrscheinlich sind auch hier die meisten für die Uno“, schätzt der 43jährige Werkstattleiter Werner Schlienz, der sich im achtköpfigen Leitungsrat vergeblich für pluralistische politische Diskussionen eingesetzt hat. „Der Betrieb ist sandinistisch“, beschloß das Gremium. Und so sind es auch nur die FSLN-Aktivisten, die ihre politische Meinung mittels T-Shirt zur Schau tragen.

Die Existenz des Betriebes - eine der wenigen Handwerksgenossenschaften des Landes - wird sicher unter einer Uno-Stadtverwaltung nicht in Frage gestellt werden. Nicht nur, weil Rigoberto Perez, der Sohn eines eben gewählten Uno-Stadtrates, seit vier Jahren als Automechaniker hier arbeitet, sondern weil in Masaya die Zusammenarbeit zwischen Sandinisten und der bisherigen Opposition schon lange funktioniert. So werden Mitglieder der unentwegt ins Land strömenden Arbeitsbrigaden immer wieder in Uno-Familien untergebracht. Als problematisch könnte sich höchstens die Grundstücksfrage erweisen. Denn das 5.000 Quadratmeter große Areal, auf dem die Werkstätten untergebracht sind, wurde nach dem Sturz Somozas einem Oberleutnant der Nationalgarde konfisziert und der Gemeinde übertragen. Die hat es dem Projekt zur Verfügung gestellt. Einen im Grundbuch eingetragenen Eigentumstitel gibt es daher nicht; und der kann auch erst ausgestellt werden, wenn dem Betrieb die Rechtspersönlichkeit zugesprochen wird. Dafür muß sich das Kollektiv formal als Genossenschaft konstituieren. „Wir bemühen uns um beschleunigte Amtswege“, erzählt Werner Schlienz, dem die formalrechtliche Absicherung der Arbeit bisher wenig Kopfzerbrechen gemacht hatte.

Im Organigramm der künftigen Stadtverwaltung von Masaya ist eine Abteilung für internationale Zusammenarbeit nicht vorgesehen. Ein aus prosandinistischen Honoratioren der Stadt bestehender Freundschaftskreis wird sich daher selbständig machen und in Zukunft als Träger für Solidaritätsprojekte fungieren, erläutert Telma Fernandez.

Politische Probleme sieht Werner Schlienz nur bei Projekten, die der neuen Regierung Prestige verschaffen könnten. Deswegen wird nun überlegt, ob ein geplantes Trinkwasserprojekt, für das die EG Finanzierung in Aussicht gestellt hat, nicht besser abgeblasen werden soll: „Das Ziel war schließlich, mit unserer Arbeit Solidarität mit der FSLN zu üben und die Folgen des US-Wirtschaftsembargos abzudämpfen“.

Ralf Leonhard, Masaya

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