: Streit um den Weg der Vereinigung
■ Engelhard nennt Streit „völlig unsinnig“ / Unionspolitiker pochen weiter auf Artikel 23 / SPD regt Volksabstimmung am 17.Juni an / Grüne und Wahlbündnis '90 für neue Verfassung
Frankfurt (ap/dpa) - In der Diskussion um den sinnvollsten Weg zur deutschen Einheit haben Politiker vor dem Versuch einer Bevormundung der DDR gewarnt. Bundesjustizminister Engelhard erklärte, er halte den Streit um einen möglichen „Anschluß“ oder Beitritt der DDR zur Bundesrepublik für „völlig unsinnig“, weil die Bundesrepublik in dieser Frage keine Entscheidungsbefugnis habe. In einem Beitrag für die 'Süddeutsche Zeitung‘ vertrat er die Ansicht, oberstes Prinzip müsse das Selbstbestimmungsrecht der Menschen in der DDR sein. Wenn die freigewählten Volksvertreter der DDR allerdings den Beitritt zur Bundesrepublik erklärten, dann sei nach Artikel 23 das Grundgesetz im anderen Teil Deutschlands in Kraft zu setzen. Die Bundesrepublik sei von der Verfassung her wegen zur Einheit verpflichtet, so daß auch eine Volksabstimmung hierzulande über den Beitritt der DDR unzulässig wäre. Der FDP-Politiker räumte aber ein, daß sich die nach dem 18.März frei gewählten Organe in der DDR auch für die Ausarbeitung einer gesamtdeutschen Verfassung nach Artikel 146 Grundgesetz entscheiden könnten.
Der CSU-Vorsitzende Bundesfinanzminister Theo Waigel setzte sich erneut für einen Beitritt der DDR nach Artikel 23 ein. Dieser Weg gebe ihr die schnellste Möglichkeit mitzuwirken. Die Abgeordneten aus dem heutigen Gebiet der DDR könnten dann per Nachwahl in den Bundestag kommen.
Dagegen lehnten die niedersächsischen Grünen einen „bloßen Anschluß“ der DDR nach Artikel 23 entschieden ab und forderten getrennte Volksabstimmungen in beiden deutschen Staaten. In einer deutschlandpolitischen Erklärung sprachen sie sich am Samstag in Schladen bei Wolfenbüttel ferner für die Erarbeitung einer neuen gesamtdeutschen Verfassung aus. Ebenso forderte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin, am 17.Juni - dem Tag der deutschen Einheit Volksbefragungen zu organisieren. Bei der „größten politischen Gestaltungsaufgabe im Nachkriegseuropa“ müßten die betroffenen Bürger gefragt werden.
Die DDR-Politiker Lothar de Maiziere (CDU) und Günther Maleuda (Bauernpartei) wiesen einen „bedingungslosen“ Beitritt der DDR zur Bundesrepublik zurück. Die Lösung über Artikel 23 sei für die DDR nur gangbar, wenn die Rahmenbedingungen des Zusammenwachsens vorher feststünden, betonte der Ost-CDU-Politiker. Maleuda warnte, der Weg zur Einheit dürfe für die DDR nicht „zu einem Gang nach Canossa“ werden.
Das Neue Forum will ebenfalls für eine neue DDR-Verfassung einen Volksentscheid am 17. Juni beantragen. Das teilte Klaus Wolfram vom Neuen Forum auf einer Wahlveranstaltung des „Bündnis 90“ in Magdeburg mit. Ein entsprechender Antrag werde beim Runden Tisch gestellt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen