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Regierungskoalition in Israel am Ende

Likud trifft erneut keine Entscheidung über Baker-Vorschläge / Führer der Arbeiterpartei, Schimon Peres, verläßt Kabinettssitzung  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die 15 Monate alte Regierungskoalition in Israel ist offensichtlich am Ende. Die Minister der Arbeiterpartei, die gemeinsam mit der rechtskonservativen Likud-Partei regieren, verließen am Sonntag mittag in Jerusalem eine entscheidende Kabinettssitzung, nachdem der Likud-Ministerpräsident Schamir erneut eine Abstimmung über die jüngsten amerikanischen Nahost-Vorschläge abgelehnt hatte. Die Vorschläge von US-Außenminister Baker hatten ein Außenministertreffen der USA, Ägyptens und Israels sowie die Zusammensetzung einer Palästinenserdelegation für Verhandlungen über Wahlen in den besetzten Gebieten zum Inhalt.

Immer wieder hatte der rechtskonservative Likud-Block die amerikanischen Kompromißvorschläge abgelehnt bzw. mit immer neuen Vorabgarantien und -bedingungen verknüpft. Zwischen den beiden Führern von Arbeiterpartei und Likud, Peres und Schamir, war es deshalb mehrfach zu heftigen Kontroversen gekommen. Peres, der vom Likud bei dieser Sitzung ein klares „Ja“ oder „Nein“ zu den amerikanischen Vorschlägen eingeklagt hatte, verließ - als eine Likud-Entscheidung ausblieb - mit seinen Ministern den Konferenzraum. Denn, so meinten die Minister der Arbeiterpartei, auch an diesem Sonntag seien wieder einmal nur die vom Likud gestellten Vorabbedingungen und nicht die Baker-Vorschläge bzw. die Kompromißformeln von Verteidigungsminister Rabin diskutiert worden. Die Arbeiterpartei machte die fortwährende Verweigerungshaltung des Likud auch für die Sackgasse verantwortlich, in der sich der Friedensprozeß im Nahen Osten gegenwärtig befinde.

Arbeiterparteiführer Peres sah nach der Sitzung „keinen Grund zusammenzubleiben, solange wir nicht in Richtung Frieden gehen können“. Während Verteidigungsminister Rabin (Arbeiterpartei), der, als überzeugter Anhänger der großen Koalition, dem Likud mehrere Kompromisse vorgeschlagen hatte, sich nach der abgebrochenen Kabinettssitzung jeder Äußerung enthielt, meinte sein Parteigenosse Gad Jakobi nach dem chaotischen Ende der Sitzung: „Der Likud hat sich gegen den Friedensprozeß im Nahen Osten entschieden.“ Die Koalition werde „innerhalb der nächsten Tage formell beendet“. Der stellvertretende Außenminister Benjamin Netanjahu vom Likud hingegen meinte: „Falls Arbeiterpartei und Likud keine Einigung finden können und die Arbeiterpartei nicht auf eine Antwort in der Knesset warten will, gut, dann werden wir das Volk befragen. Entweder in Wahlen oder durch ein Referendum. Denn der Friedensprozeß kann nur durch eine vereinte Regierung vorangetrieben werden.“

Die Minister der Arbeiterpartei trafen sich am Nachmittag erneut zu internen Gesprächen, um ihre Empfehlungen an das am heutigen Montag tagende Führungsgremium der Arbeiterpartei abzugeben.

Es gilt allerdings als nicht gänzlich ausgeschlossen, daß Rabin und Schamir - hinter den Kulissen - den Versuch unternehmen werden, die Scherben zu kitten und die „nationale Koalition“ vor dem endgültigen Zerfall zu retten. Sollte jedoch die Koalition nun endgültig auseinanderbrechen, so wird es - weit eher als eine Koalition zwischen Arbeiterpartei und kleinen religiösen Parteien - vermutlich Neuwahlen geben.

Auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben sind mit dieser Regierungskrise in Israel auf jeden Fall die israelisch -palästinensischen Gespräche in Kairo. Kommentar auf Seite 10

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