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Daimler rollt an den Ural

Joint-venture mit DDR-Kombinat soll Ost-Märkte erschließen  ■ K O M M E N T A R

Daimler-Benz macht Nägel mit Köpfen. Während andere westdeutsche Unternehmen zwar viel vom attraktiven Standort Berlin reden, in der Praxis industrielle Arbeitsplätze aber abbauen, langen die Stuttgarter kräftig zu. Die Angestellten werden in Zukunft in die klimatisierten Räume des neuen Zentrums am Potsdamer Platz eilen, die Lohn- und Leistungsarbeiter sich im Billiglohnland DDR konzentrieren. Dort, 30 km Luftlinie vom geplanten neuen Dienstleistungszentrum entfernt, will Daimler-Benz den Nutzfahrzeugbau der DDR auf Marktwirtschaft trimmen. Dafür hat sie mit dem Ludwigsfelder IFA-Kombinat einen Joint -venture-Vorvertrag abgeschlossen. Es geht um die Erschließung neuer Märkte, und der größte liegt vor der Haustür: der ganze Osten, von der Elbe bis zum Ural. Europa, sagt Vorstandsvorsitzender Niefer, muß neu definiert werden, es ist durch die Entwicklung in den sozialistischen Staaten viel größer geworden. Was die Nazis mit ihrem Eroberungsfeldzug nicht geschafft haben, das gelingt jetzt dem neuen alten Kapital mit humanen Mitteln. In einem Rechtsstaat selbstverständlich, die Zeiten sind nicht zu vergleichen. Aber gerade dem Daimler-Konzern würde eine Erinnerungsarbeit gut anstehen. Genau in Ludwigsfelde wurden zwischen 1936 und 1945 Daimler-Benz-Flugmotoren für Messerschmitt und Dornier-Bomber gebaut. Die Zwangsarbeiter aus Osteuropa sind bis heute nicht entschädigt worden. Davon ist heute nicht mehr die Rede. Aber wenn nicht die Menschen laut werden, die in einem Staat leben, deren einzige Legitimation die Bewahrung des antifaschistischen Erbes ist, wird es keiner tun. Mit der Einführung der freien Marktwirtschaft wird auch in der DDR die Nachkriegszeit beendet werden, aber müssen denn alle Fehler der vergeßlichen Auf- und Anpackzeiten wiederholt werden?

Anita Kugler Siehe Bericht und Interview Seite 3

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