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Trink, Brüderchen, trink...

■ Das Ostberliner Trinkwasser ist nicht nur im Wasserwerk Johannisthal bedroht / Umweltsenatorin Schreyer überreichte sechs Meßgeräte / Wasserwerker der Hauptstadt sollen damit den Giften im Grundwasser nachspüren / Bald wieder gemeinsame Trinkwasserversorgung?

Gleich an mehreren Stellen ist das Ostberliner Trinkwasser in Gefahr. Das Wasserwerk Johannisthal sei nicht das einzige Ostberliner Wasserwerk, in dem Trinkwasserbrunnen stillgelegt werden mußten, weil das Grundwasser verseucht ist, räumten die Ostberliner Wasserbetriebe WAB in einer gemeinsamen Erklärung mit West-Berlins Umweltsenatorin Schreyer gestern ein. Auch im Wasserwerk Wuhlheide seien bereits „einzelne Brunnen aus der Wasserversorgung herausgenommen“ worden. Die Schadstoffe stammten insbesondere von einem ehemaligen Gaswerk.

Kaffeetrinken und Zähneputzen mit Leitungswasser ist in der Hauptstadt angeblich trotzdem kein Gesundheitsrisiko. Das Trinkwasser, das in Ost-Berlin aus den Hähnen fließt, erfülle auch die neue, an westlichen Grenzwerten angelehnte DDR-Trinkwassernorm (TGL), versicherte Reinhard Klemm, der Chefingenieur des WAB. Schreyer übergab ihm gestern im Wasserwerk Johannisthal leihweise sechs Meßgeräte.

Sie sollen unter anderem helfen, so Klemm, das Johannisthaler Grundwasser „umfassender“ zu untersuchen. Wie mehrfach berichtet, hatte das DDR-Institut für Wasserwirtschaft in der Nähe der Johannisthaler Trinkwasserbrunnen flächendeckend überhöhte Schadstoffwerte festgestellt. Eine neugebohrte Brunnengalerie, in deren Nähe die Wissenschaftler auch das Chemiegift PCB entdeckt hatten, wurde deshalb gar nicht erst in Betrieb genommen. Klemm versuchte gestern zu beruhigen: In einer Johannisthaler Wasserprobe, die ein Westberliner Institut jetzt untersucht habe, sei kein PCB mehr entdeckt worden.

Schreyer und Klemm waren sich einig, die Zusammenarbeit beim Wasserschutz zu verstärken. Als erster Schritt soll gemeinsam eine Grundwasserhöhenkarte erstellt werden. Auch eine gemeinsame Trinkwasserversorgung sei eines Tages vorstellbar, meinte Schreyer. Allerdings müßten dann auf beiden Seiten der heutigen Grenze die selben Grenzwerte gelten, schränkte die Senatorin ein. Außerdem müßten die alten Verbindungsleitungen aus der Zeit vor der Teilung wiederhergestellt werden. Die WAB seien bereits „dabei“, die Chlorung des Trinkwassers „zurückzudrängen“, verkündete Klemm. Nur bei dem Trinkwasser, das aus dem verschmutzten Müggelsee gewonnen wird, gebe es zum Chlor „keine Alternative“. Vor der Teilung floß das Wasser fast ausschließlich von Ost nach West. Johannisthal beispielsweise belieferte auch Neukölln, Wasser aus Wuhlheide und Friedrichshagen floß in die Westberliner Stadtmitte. Heute wäre das - nicht nur aufgrund der Ostberliner Trinkwasserqualität - undenkbar: Weil der Wasserpreis zu niedrig ist und - speziell in den Neubaugebieten - die Wasserzähler fehlen, ist der Wasserverbrauch in Ost-Berlin heute so hoch, daß nicht einmal auf den verschmutzten Müggelsee als Trinkwasserreservoir verzichtet werden kann.

hmt

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