Die große Wut der andalusischen Fischer

Der Hafen von Algeciras noch immer blockiert / Fischer wollen schriftliche Garantien, unbehelligt vor marokkanischen Küsten fischen zu können / Verhandlungen zwischen EG und Marokko am 19. März in Rabat / Druck auf die Fischer wächst, die Blockade zu beenden  ■  Aus Algeciras Antje Bauer

Das hochbeladene Containerschiff „Axel Maerks“ wartet seit einer Woche darauf, auslaufen zu können. Die Angestellten der Reisebüros an der Seepromenade drehen Däumchen: Seit zehn Tagen können sie keine Schiffsfahrkarten nach Ceuta und Tanger mehr verkaufen. Die Fähre verkehrt nicht. Die Ursache für die ungewohnte Stille im Hafen des andalusischen Städtchens Algeciras sind über vierzig hölzerne Fischerboote, die seit Anfang dieses Monats am Eingang zum Hafen dümpeln und Ein- und Ausfahrten verhindern. „Wir wollen Sicherheiten beim Fischfang“, erklärt Pedro Maza Fernandez von der Fischervereinigung in Algeciras. „Hier, vor Andalusiens Küsten, ist der Fisch zu knapp. Deshalb müssen wir vor Marokkos Küsten fischen. Doch da sind wir der Willkür der marokkanischen Behörden hilflos ausgeliefert.“

Die marokkanische Küstenwache hat nach Angaben der Fischer die Angewohnheit, spanische Boote auszumachen, ihnen Nahrungsmittel und andere Dinge zu klauen und ihnen außerdem mit der Behauptung, sie fischten in marokkanischen Hoheitsgewässern, Bußgelder abzuknöpfen. Geärgert hat das die spanischen Fischer schon immer, doch als am 1.bekannt wurde, daß die Bußgelder ab 16. dieses Monats bis zu 416 Mal höher sein werden als bisher und im Höchstfall umgerechnet zwei Millionen DM betragen, griffen die Fischer zur Gegenwehr und blockieren den Hafeneingang. Einheiten der Guardia Civil im Hafen verhindern, daß die Fischer vom Festland aus mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Nun bringen täglich Fischer vom nahegelegenen Gibraltar das Notwendigste. Der Minister für Landwirtschaft und Fischerei, Carlos Romero, hat vor einigen Tagen bekanntgegeben, daß sich am 18.März in Rabat eine Kommission der EG mit Vertretern der marokkanischen Regierung treffen wird, um über eine Lösung zu beraten. Seither wächst der Druck auf die Fischer, die Blockade zu beenden. Die Fischer von Huelva, die sich dem Streik angeschlossen hatten, hatten am Sonntag augegeben. Auch in Algeciras mehren sich die Stimmen, die eine Deeskalierung des Konflikts befürworten. Doch die Kommission von Fischern und Mitgliedern eines eben gegründeten Bürgerkomitees weigert sich aufzugeben, solange keine schriftliche Erklärung des Fischereiministers vorliegt, daß bis auf weiteres gefischt werden kann, ohne die hohen Strafen befürchten zu müssen.

In Algeciras Rathaus herrscht auch am Wochenende reges Treiben. Mehrere Hundert Fischersfrauen halten es seit dem Beginn der Blockade besetzt. Im weißgestrichenen Innenhof leben und schlafen sie, bereiten Protestresolutionen vor und machen ihren Männern Mut, nicht aufzugeben. „Von Dutzenden Orten hier bekommen wir Solidaritätstelegramme“, berichtet die 35jährige Toni, deren Mann an der Blockade teilnimmt. „Wir haben etwas Angst, daß es hier so passiert wie in Malaga, aber unsere Männer sind entschlossen, weiterzumachen bis in den Tod.“

Im Hafen von Malaga hatten am vergangenen Donnerstag die „Ordnungskräfte“ eingegriffen. Schnellboote der spanischen Kriegsmarine, der Guadia Civil und der Polizei hatten, unterstützt von einem Hubschrauber, etwa zwanzig Fischerboote vertrieben, die dort die Einfahrt zum Hafen blockierten. Sie hatten mit Tränengas und Gummikugeln um sich geschossen und mehrere Boote gerammt. „Da hat die Kriegsmarine eine Seeschlacht gegen die andalusischen Fischer gewonnen“, bemerkt ein Fischer in Malaga zynisch. „Dafür sollte Felipe Gonzalez eine Medaille bekommen.“ Seit den Auseinandersetzungen ist der Hafen von Malaga von der Guardia Civil besetzt. „Du hast nicht zufällig ein Boot dort liegen?“ fragt mißtrauisch ein Guardia einen Mann, der „nur mal eine Runde im Hafen drehen“ will. Die Fischer haben keinen Zugang mehr zu ihren Booten. Vom Sitz der Fischervereinigung blicken sie sehnsüchtig auf ihre Schiffchen, die dort seit Tagen festliegen. Ab und zu blockieren sie die Straße davor, dann kommt die Guardia Civil und prügelt, danach stehen die Fischer wieder herum und warten angespannt auf eine Lösung des Konflikts.

Nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Ordnungshütern auch in Almeria und Algeciras letzte Woche beruhigt sich die Situation indes langsam. Zwar weisen die EG-Behörden darauf hin, daß die Festlegung der Bußgelder in marokkanischem Ermessen liegt, jedoch könnte zumindest die Einrichtung einer neutralen Küstenwache verhandelt werden, die illegale Übergriffe der Marokkaner verhindert. Am heutigen Dienstag soll in der gesamten Region ein Generalstreik stattfinden, und ein Ende der Blockade auch in Algeciras ist zu erwarten. „Wir könnten uns jetzt zurückziehen“, erklärt ein Sprecher der Fischervereinigung in Algeciras. „Aber wenn die Neuverhandlungen nichts bringen, gehen die Proteste wieder los.“