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„Der ganze Aufwand lohnt sich nicht“

■ Dienstleistungsabend im Forum Steglitz: Trotz fehlender Kunden müssen jeden Donnerstag die Läden offenbleiben

Wenn Donnerstag abends um halb 7 die meisten Geschäfte in der Steglitzer Schloßstraße schließen und VerkäuferInnen müde nach Hause gehen, darf im Forum Steglitz noch niemand an den Feierabend denken. Und das, obwohl in den meisten der 70 Geschäfte des Einkaufscenters nach 20.30 Uhr kaum noch was los ist. Doch weder im Sexshop noch im Mineralienladen oder in der Zoohandlung wagt man, das Licht auszuknipsen. Denn jedem Geschäft wäre der sofortige Rausschmiß sicher.

Die Forum Steglitz KG, Eigentümerin des Einkaufszentrums, besteht auf einer im Mietvertrag festgelegten Offenhaltungspflicht. Jeder Mieter hat sich an die „im Hause geltenden Öffnungszeiten“ zu halten. Seit November zwingen sie nun unter Androhung der fristlosen Kündigung die Angestellten des Versandriesen Neckermann genauso wie die des Einzelhandels zur Spätarbeit.

Vor Weihnachten wurde die verlängerte Öffnungszeit durch gewaltige Umsatzsteigerungen versüßt. Um der Offenhaltungspflicht nachzukommen, ließ die Kaufhallenkette „Euromarkt“, wie berichtet, sogar leitende Angestellte aus Westdeutschland einfliegen. Man wollte die Kündigung des attraktiven Standorts auf jeden Fall vermeiden. Aus Angst um ihren Arbeitsplatz nahmen viele Beschäftigte die „unsinnige“ und „unsoziale“ Spätarbeit (Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen) in Kauf.

„Der Verbraucher hat mit den Füßen abgestimmt“, jubilierte der Geschäftsführer der Forum Steglitz KG, Dr. Ruhland. Der verordnete „Dienstleistungsabend“ schien ein Erfolg zu sein. Doch schon im Januar war es mit dem winterlichen Kaufrausch vorbei. Der lange Donnerstag wurde für die meisten Mieter zum Verlustgeschäft. Die Einnahmen am Donnerstagabend decken bei den kleinen Geschäften oft nicht einmal mehr die Gehälter der Angestellten. „Wir würden am liebsten wieder wie früher um 18.30 Uhr dichtmachen. Die wenigen Kunden, die danach noch kommen, lohnen den ganzen Aufwand doch überhaupt nicht!“ beschwert sich die Eigentümerin einer Damen -Boutique. Auch die Händler des Obst- und Blumenmarkts im Erdgeschoß empfinden die ihnen vom Vermieter auferlegte Belastung als unzumutbar. Sie beginnen ihre Arbeit morgens um 4 Uhr auf dem Fruchthof, können keine Aushilfen bezahlen und müssen donnerstags sechzehneinhalb Stunden auf den Beinen sein. „Dabei ist bei uns hier unten nach 7 echt tote Hose!“

Bei Großgeschäften wie Schaulandt, WOM oder Montanus klingelt zwar auch nach 19 Uhr noch die Kasse, „dafür ist Freitag vormittags jetzt viel weniger los“, meint ein Mitarbeiter. Doch die Festlegung „sinnvoller“ Öffnungszeiten will die Forum Steglitz KG nicht ihren Mietern überlassen. Forum-Chef Dr.Ruhland: „Das Haus muß laufen, und es läuft nur, wenn alle offen haben.“

Jörg O. Riss

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