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Die neue Köpf-Maschine

■ Wie die aufgeklärten, für die Emanzipation kämpfenden Revolutionäre auf die Guillotine kamen

Man wird sich erinnern, daß die weiland constitutionirende Nationalversammlung, in ihrem Alles umschaffenden Paroxysm, die Todesstrafen nicht besser als das Uebrige behandelte. Gravitätisch wog sie die wichtige Frage ab, ob bey einem zum Tode Verurtheilten der Strick oder das Beil sich am besten mit der Würde des Menschen und der Constitution vertrüge; und gravitätisch decretirte sie, daß das schneidende Werkzeug ungleich constitutionsmäßiger sey, als die erdrosselnde Schlinge, und daß es sich weit besser für ein freyes Volk schicke, große Uebelthaten durch den Verlust des Kopfes, als durch den Verlust des Athemhohlens zu büßen.

Glücklicher Weise hatte unter diesen Denkern von Gesetzgebern ein großer Arzt seinen Sitz, dessen Nahme zwar vorher ganz obscur gewesen war, der aber begierig diese Gelegenheit ergriff, sich einen glänzenden Nachruhm zu erwerben. Guillotin, so hieß dieser Schüler des Aesculaps, sann tiefsinnig über den patriotischen Gegenstand nach, und fand, daß ein scharfes, zwischen die Halsgelenke geschobenes Eisen das allerconstitutionsmäßigste, weiseste und zugleich anatomischeste Mitel sey, welches man dazu anwenden könnte. Zu gleicher Zeit fand er aber auch, daß dieses Eisen, von Menschenhand geführt, nicht Kraft genug haben, und über dieses eine Art Meuchelmord seyn würde, welchen der medicinische Lycurg verhüten wollte. Er vermehrte also seine Erfindung durch eine Maschine, die eben so leicht Köpfe vom Rumpfe sondern könne, als das Druckwerk beym Münzen Köpfe auf Metall prägt.

Seine Erfindung war eigentlich ein bloßes Plagiat. Denn seit undenklichen Zeiten ist diese, die Gelenke des Halses sondernde Maschine in Persien in Gebrauch. Unterdessen machte sie in Frankreich ihr Glück. Die Nationalversammlung ertheilte der neuen Köpf-Art das Bürgerrecht.

Von allen Beamten der alten Regierungsform hatten die Scharfrichter allein ihre alten Würden unverletzt, und folglich auch ihre alten Vorurtheile erhalten. Erdrosseln dünkt ihnen das Allernatürlichste und Leichteste von der Welt; hingegen das Wort Köpfen macht, daß ihnen die Hand zittert; und so ließ das zärtliche, mitleidsvolle Herz des Nachrichters von Paris ihm keine Ruhe, bis er sich vor den Schranken der Nationalversammlung einfand, und seine Scrupel in ihrem Schoße ausschüttete. Er stellte vor, „daß er zwar der dienstwilligste Anhänger der weisen Versammlung von Gesetzgebern sey, und daß sie jeden Augenblick, wo sie seiner hochnothpeinlichen Dienste benöthigt seyn würde, über ihn befehlen könne; daß er aber nicht so viel Erfahrung in Sonderung der Halsgelenke, als in ihrer Zusammenschnürung besäße, und folglich fürchten müsse, einem armen Sünder wehe zu thun, wenn er ihn nach den Vorschriften der Constitution behandele. Er bäte also, die Nationalversammlung möchte, kraft ihrer Allmacht, durch einen ihrer weisen Rathschlüsse entweder sein Herz verhärteter, oder seine Hand fester machen.“

Eine andere Versammlung würde diese sonderbare Petition vielleicht als eine Persiflage und als eine ärgerliche Impertinenz ausgelegt, oder nach dem ein Mahl üblichen Herkommen, alle Petitionnäre an eine Comite zu verweisen, den unerfahrnen Kopf-Abschlager an den Unterweisungs -Ausschuß verwiesen haben. Allein statt dessen verwies ihn die Nationalversammlung an die königliche Academie der Wundarzneykunst, mit dem Befehl, ihr von dem erhaltenen Responsum Bericht abzustatten.

Louis, der Secretaire perpetuel dieser Academie, lebte damahls noch, und ergriff diese Gelegenheit begierig. Er stellte auf die nachrichterliche Consultation ein Gutachten aus, dessen burleske Gravität vielleicht seines Gleichen nicht in den Archiven des Pedantismus findet.

„Jedermann weiß“, hebt er seinen Spruch an, „daß schneidende Werkzeuge wenig oder keine Wirkung thun, wenn sie senkrecht treffen. Denn wenn man sie durch ein Vergrößerungsglas betrachtet, so sieht man, daß es bloß mehr oder minder feine Sägen sind, welche man glitschend auf den Körper wirken lassen muß, den sie trennen sollen. Man würde mit einem Beil oder Schwert, dessen Schneide geradlinig wäre, nicht mit einem einzigen Streiche ein Haupt abschlagen können, aber mit einer convexen Schneide, wie bey den alten Streitäxten, wirkt der geführte Streich nur senkrecht im Mittelpuncte des Halbmessers, und das Instrument, indem es eindringt, hat glitschend auf den Seiten eine schiefe Wirkung, und erreicht so sicher seinen Endzweck.“

„Wenn man den Bau des Halses betrachtet, von welchem die Wirbelbein-Säule das Mittel ausmacht, die aus verschiedenen Beinen besteht, deren Verbindung Uebereinander-Falzungen bildet, so daß man keine Fuge auszuspähen im Stande ist, so kann man unmöglich auf eine schleunige und völlige Trennung gewiß rechnen, so bald man solche einemVollzieher anvertraut, dessen Geschicklichkeit durch moralische oder physische Ursachen einem Wechsel unterworfen bleibt. Es wird zur Unfehlbarkeit der Procedur nothwendig erfordert, daß solche von mechanischen unveränderlichen Kräften abhange, deren Stärke und Wirkung auf das genaueste bestimmt werden könne. Man hat diese Todesart in England eingeführt. Der arme Sünder wird auf den Bauch zwischen zwey Pfähle oder Pfosten gelegt, die oben durch ein Querholz verbunden werden, von welchem man das convexe Beil auf den Hals herab fallen läßt. Der Rücken des Instruments muß stark und schwer genug seyn, um gehörig wirken zu können, ungefähr wie der Fallbock beym Pfähle-Einrammen wirkt. Es ist bekannt, daß seine Kraft sich in dem Maße der Höhe multiplicirt, aus welcher er herab fällt.“

„Man kann also leicht eine ähnliche Maschine verfertigen, deren Wirkung dann unfehlbar seyn wird. Die Enthauptung wird alsdann dem Geiste und Wunsche des neuen Gesetzes gemäß in einem Augenblicke vollbracht. Man kann die Probe davon an todten Leichnamen oder an einem lebendigen Schafe machen. Man müßte untersuchen, ob es vielleicht nöthig wäre, den Kopf des armen Sünders durch einen halben Mond zu fixiren, welcher den Hals unmittelbar bey der Basis der Hirnschaale umspannte. Die Spitzen der Verlängerungen des halben Monds könnten unter dem Schaffotte durch Vorsteck-Keile befestigt werden. Der ganze Apparat, wenn er erforderlich wäre, würde keine Sensation erregen, und kaum bemerkt werden. Ausgefertigt zu Paris den 7. März 1792. Louis, beständiger Secretär der chirurgischen Academie.“

Auf dieses eingereichte Gutachten decretirte dann die Nationalversammlung, daß die Hinrichtungen von nun an auf diese Art vollzogen, und die ausübende Gewalt autorisirt werden sollte, den erforderlichen Kosten-Aufwand zu machen, um dergleichen Maschinen durch das ganze Reich einzuführen.

Um nun die Departements und Municipalitäten mit solchen neuen tragbaren Executions-Maschinen zu versehen, welche constitutionsmäßig allen die Köpfe vor die Füße legen, die in einem Districte sich dieses Constitutions-Todes würdig machen, würde es nur der kleinen Summe von 6 bis 7 Millionen Livres bedürfen. In Paris ist bereits eine Hinrichtung mit der Guillotine geschehen. Prudhomme in seinem Journal (May 1792) hatte den Jacobiner-Witz, folgenden Vers des Malherbe zur Inschrift für die Guillotine vorzuschlagen:

„Et la garde qui veille aux barrieres du Louvre,

N'en defend pas nos Rois.“

Aus: Revolutionsalmanach von 1793. Göttingen, bei Johann Christian Dieterich

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