Mehr Power für manipulierte Gene

Biotechnologie: EG-Kommission macht sich die Argumente der Industrielobby zu eigen  ■  Aus Brüssel Michael Bullard

Die westeuropäische Bio-Tech-Industrie gerät gegenüber ihren Konkurrenten in den USA und Japan ins Hintertreffen, wenn die Europäische Gemeinschaft nicht schleunigst die „Industrie der Zukunft“ fördert. Wie der von Industrievertretern schon seit Jahren an die Wand gemalten Misere beizukommen ist, haben die EG-Wirtschaftsminister am Dienstag in Brüssel beraten.

Grundlage dafür war ein „Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen“ der EG zur „Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der auf Biotechnologie beruhenden wirtschaftlichen Tätigkeiten innerhalb der EG“. Es basiert im wesentlichen auf Berichten, die im Auftrag des Europäischen Rats der Chemischen Industrie (CEFIC) und der in Paris ansässigen OECD-Zentrale der 24 wichtigsten Industrieländer erstellt wurden. Trotz der EG-Teilnahme an bi- und multilateralen Diskussionen über Biotechnologie, so das Berichtfazit, „ist festzustellen, daß sich die Gemeinschaft möglicherweise nicht ausreichend an der Förderung der Entwicklung dieser Technologie beteiligt“.

Als Quelle für diese Einschätzung ist die Lobbygruppe SAGB angegeben, mit der die Chefs der sieben europäischen Chemiefirmen Monsanto, Hoechst, Sandoz, Unilever, ICI, Farmitalia und Rhone-Poulenc Sant ihre EG-weite Einflußnahme auf die Gesetzgebung im Bereich der Biotechnologie koordinieren. SAGB-Chef ist Brian Ager, der bis zum 1. Februar im Auftrag der Forschungsabteilung der EG-Kommission und der OECD an Vorschriften zur Regulierung biotechnologischer Verfahren arbeitete.

Um international besser konkurrieren zu können, schlägt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen vor: EG-Gesetze zur „kontrollierten Verwendung genetisch veränderter Mikroorganismen“ und zur „gezielten Freisetzung genetisch veränderter Organismen“ sollen am 22. März vom Umweltministerrat beschlossen werden, nachdem das Europaparlament diese Woche dazu Stellung beziehen konnte. Gesetze, die einen Mindestschutz für die gefährdeten Arbeitnehmer garantieren sollen, sowie für gentechnologisch erstellte pharmazeutische Erzeugnisse und für Nahrungsmittel werden vorbereitet. Zudem in Arbeit: Gesetze für genetisch veränderte Tiere und die Patentierbarkeit genetisch veränderter Lebewesen.

Ausgeführt hingegen wird, wie Hindernisse der öffentlichen Art überwunden werden können. Die Kommission soll sich mit der Frage beschäftigen, ob „die Sorge der Öffentlichkeit gerechtfertigt“ ist und - wenn ja - ob die geplanten Rechtsvorschriften die Lage verbessern werden? Antwort: „Die Gemeinschaft muß alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Öffentlichkeit über die Vorzüge und die Auswirkungen der Biotechnologie zu unterrichten. Denn schließlich „geht es um hohe Einsätze“.