: Das berufliche Ende für NVA-Offiziere
Ihre Umschulung und „Eingliederung ins zivile Arbeitsleben“ ist bereits beschlossene Sache / Bei einer Wahlversammlung in Straußberg berichtet der westdeutsche SPD-Abgeordnete Erler über die Pläne / Umgeschulte Soldaten sollen unter anderem Steuererleichterungen erhalten ■ Von Andreas Zumach
Straußberg (taz) - Beim Verteidigungsministerium der DDR existieren bereits konkrete Pläne für die Integration von Offizieren der Nationalen Volksarmee (NVA) ins zivile Arbeitsleben. Über diese Absichten sind zwar bereits Abgeordnete des Bonner Bundestages informiert, bislang aber nicht die Betroffenen selbst.
Öffentlich bekannt wurden die Pläne am Montag abend durch Äußerungen des westdeutschen SPD-Abgeordneten Gernot Erler bei einer von 120 Personen, zumeist NVA-Offizieren, besuchten Wahlkampfveranstaltung der DDR-SPD in Straußberg. In dem Ort rund 25 Kilometer nordöstlich des Ostberliner Stadtzentrums befinden sich die militärischen Dienststellen des Verteidigungsministeriums. Dort leben Hunderte von NVA -Soldaten mit ihren Familien.
Der Unterausschuß „Abrüstung und Rüstungskontrolle“ des Bonner Verteidigungsausschusses, dem Erler angehört, war am letzten Donnerstag von DDR-Generalmajor Deim, dem Chef der „Verwaltung Gefechtsbereitschaft und operative Ausbildung“ über die Pläne unterrichtet worden: Danach soll zum 1. April beim Ministerium ein „Amt für Berufsvorbereitung und Überleitung für Dienstleistende und Wehrpflichtige in die zivile Wirtschaft“ eingerichtet werden. Eine Verständigung über dieses Vorgehen wurde am runden Tisch des Verteidigungsministeriums erzielt, der nach Zusagen der SPD im Falle ihres Wahlsieges auch nach der Volkskammerwahl am 18.März weiterexistieren soll.
Dieses Jahr sollen mindestens 4.000, 1991 bereits bis zu 8.000 NVA-Offiziere auf Zivilberufe vorbereitet werden. Mit knapp 50 Prozent liegt der Anteil der NVA-Soldaten, die vor Eintritt in die Armee eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, unter dem entsprechenden Anteil in der Bundeswehr. Umgeschulte Soldaten sollen Starthilfen wie günstige Kredite und Steuererleichterungen für die Gründung von Kleinbetrieben erhalten. Der örtliche Kreisverband der SPD hofft, daß auf diese Weise Massenarbeitslosigkeit und die Abwanderung vieler Einwohner Straußbergs verhindert werden kann.
Finanziert werden sollen die Umschulungsprogramme zum Teil durch Auflösung und Verkauf von Liegenschaften und Immobilien der Nationalen Volksarmee. In der Diskussion mit Erler lehnten Offiziere der DDR-Armee allerdings auch unter Hinweis auf entsprechende Vorstellungen des Westberliner Bürgermeisters Momper eine Demilitarisierung ihres Landes ab. Statt dessen verlangten sie die Vorlage konkreter Pläne für die „baldige Integration der Streitkräfte von BRD und DDR“, da die politische und ökonomische Einheit de facto bereits vollzogen sei.
Diese Forderungen der NVA-Offiziere wurden jedoch in keinem Fall sicherheitspolitisch oder mit einem Hinweis auf äußere Bedrohungen begründet, sondern ausschließlich mit der Sorge vor Arbeitslosigkeit bei einem weiteren Zerfall der NVA.
Erler wies diese Forderungen zurück und erklärte, selbst bei einem raschen, über Artikel 23 des Grundgesetzes vollzogenen Anschlusses der DDR werde es wegen weiter bestehender Verpflichtungen in den beiden Bündnissen auf absebare Zeit weder eine Auflösung der NVA noch eine Vereinigung der beiden Armeen geben.
Auf Nachfragen wollte der SPD-Abgeordnete zwar eine völlige Entmilitarisierung des Territoriums der beiden deutschen Staaten als Ergebnis eines langen Prozesses nicht völlig ausschließen. Realistisch sei jedoch zunächst die von der (West-) SPD angestrebte Reduzierung der Bundeswehr auf rund 240.000 Soldaten.
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