: „Als wäre Abrüstung eine Fata Morgana“
Den Realitäten zum Trotz wird in der Eifel aufgerüstet / Für den Ausbau der größten amerikanischen Militärbasis in Europa sollen die Binsfelder Bauern enteignet werden / Die Betroffenen appellieren in einem Protestschreiben an den US-Senat ■ Von Thomas Krumenacker
Binsfeld (taz) - „Es ist, als wäre die Zeit stehengeblieben“, sinniert der SPD-Vorsitzende im Eifelkreis Bitburg-Prüm, Kurt Weiser. Dabei hat er nicht die verschlafen-touristische Eifelidylle im Sinn, sondern eines der weltweit dichtmilitarisiertesten Gebiete: Trotz allseits verkündeter Abrüstung als Folge des Umbruchs in Osteuropa und des entspannteren Klimas unter den Supermächten geht im nördlichen Teil von Rheinland-Pfalz die Aufrüstung ungebremst weiter, „wie zu Hochzeiten des Kalten Krieges“.
Während im südlichen Landesteil die Angst vor der schwierigen Beseitigung der Giftgaslager grassiert, wird hier ungebremst aufgerüstet. Gerade sind die ersten der insgesamt 400 neuen „Patriot„-Flugabwehrraketen in der Eifel in Stellung gegangen. Zugleich wird auf der Bitburger US -Luftwaffenbasis derzeit eine zweite Rollbahn („zur Sicherung der Einsatzbereitschaft im Kriegsfall“) planiert. Und in der Umgebung der zweitgrößten Airbase der Amerikaner in Europa im nahegelegenen Spangdahlem soll für die weitere Aufrüstung sogar Land enteignet werden, „als seien Fortschritte bei der Abrüstung eine Fata Morgana“.
Von der Landnahme betroffen sind insgesamt 28 Grundstückseigentümer, darunter viele Bauern, die existenziell auf ihr Ackerland angewiesen sind. Doch sie wollen ihre Felder für die Erweiterung der Airbase nicht freiwillig rausrücken. „Viele von uns mußten schon einmal, manche sogar mehrfach Land hergeben, damit der Flugplatzzaun sich immer näher an unsere Höfe heranfressen konnte, jetzt ist Schluß“, gibt sich einer der Betroffenen entschlossen.
Auch ohne die geplante Erweiterung des Flugplatzgeländes um 12,5 Hektar ist der 45 Hektar-Moloch nach Ramstein bereits jetzt die größte Militärbasis der Amerikaner in Europa. Einstimmig lehnen die Binsfelder Bürger seit der Einleitung des Enteignungsverfahrens im Sommer vergangenen Jahres alle angebotenen Entschädigungszahlungen oder Ersatzland ab. „Es geht uns nicht um Geld oder Ersatzland, sondern um jeden Quadratmeter unserer Heimat, der für immer hinter dem Zaun verschwindet“, begründet Karl Schneider, der Vorsitzende der Interessengemeinschaft gegen die Enteignung die hartnäckige Haltung der Bürger. „Wackersdorf wurde auch durch den Widerstand der Bevölkerung verhindert“, schreiben sie in einer Erklärung und reihen sich so in den Kreis des „politischen Widerstandes“ ein.
Die Empörung über die Binsfelder Enteignung schlägt mittlerweile nicht nur in der Eifel, sondern bis in höchste US-amerikanische Politikerkreise Wellen. Dorthin nämlich haben sich die Binsfelder Bürger mit der Bitte um Hilfe gewandt. Sam Nunn, einflußreicher US-Senator und Vorsitzender des Streitkräfteausschusses im amerikanischen Kongreß, sichert in einem kürzlich eingetroffenen Schreiben an Kurt Weiser den aufrührerischen Eifel-Landwirten seine Unterstützung zu.
Noch einen Schritt weiter geht Nunns Kollegin, Patricia Schroeder, im Kongreß Chefin des Ausschusses für militärische Baumaßnahmen in aller Welt: „Abgerüstet wird so oder so, entweder durch finanzielle Einsparungsnotwendigkeiten im US-Staatshaushalt oder wegen eines Durchbruchs bei den Wiener Truppenverhandlungen“. Vor diesem Hintergrund sei das, was in der fernen Eifel betrieben werde, mehr als befremdlich, befand die Expertin.
Den Zorn der Eifeler Bevölkerung hat sich inzwischen auch die Mainzer Landesregierung zugezogen. Der Sprecher des Innenministeriums, Dietzen, hatte kürzlich offenbar voreilig verkündet, die Amerikaner wollten auf das Land verzichten, die Enteignungspläne seien „vom Tisch“. Einen Tag später, die ersten Feiern waren schon organisiert, korrigierte sich Dietzen und verbreitet seitdem, die Enteignung liege lediglich bis zum Ende der Wiener Truppenverhandlungen „auf Eis“. Doch selbst das stimmt offenbar nicht. „Das Verfahren nimmt seinen korrekten Lauf“, widersprach die als Enteignungsbehörde zuständige Trierer Bezirksregierung. Und aus dem ebenfalls beteiligten Bundesvermögensamt wird rüde mitgeteilt: „Nichts ist zurückgezogen oder auch nur zurückgestellt.“
Das Gerangel um die Abrüstung in der Eifel geht also vorerst weiter. Der Kommandant der Spangdahlemer Airbase, Colonel Rudolf Peskens, unterstrich auf Anfrage noch einmal die angebliche Notwendigkeit der Flächenausdehnung. Dabei könnte nach Meinung der Flugplatzanlieger leicht auf die Enteigung der rund 125.000 Quadratmeter Land verzichtet werden, die jetzt so dringend für „Lagerhallen“ gebraucht werden. Die angeblich so dringend benötigte Fläche stünde nämlich auf dem Flugplatz selbst zur Verfügung. Doch auf dem darauf errichteten Rennplatz für Schrott-Autos wollen die Spangdahlemer GIs nicht verzichten, ebensowenig wie auf einen großzügig angelegten Golfplatz, der sich ebenfalls innerhalb des Flugplatzgeländes befindet - dort, wo früher einmal Ackerland war, bis es enteignet wurde.
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