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Große Koalition in Israel geplatzt

Schamir entläßt Peres aus der Regierung / Minister der Arbeiterpartei treten geschlossen zurück / Minderheitskabinett unter Schamir hat kaum Chancen / Religiöse Parteien werden zum Zünglein an der Waage  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der israelische Ministerpräsident Schamir hat am Dienstag morgen im Ministerrat den Chef der Arbeitspartei, Schimon Peres, aus der von Likud und Arbeiterpartei gebildeten Regierung der nationalen Einheit entlassen. Dies wurde im Amt des Ministerpräsidenten mitgeteilt. Nach der Entlassung von Peres reichten auch die übrigen sechs Minister der Arbeiterpartei ihren Rücktritt ein, bestanden aber darauf, im Rahmen der ebenfalls am Dienstag stattfindenden Regierungssitzung Erklärungen abzugeben. Die Entlassung von Peres erfolgte, nachdem ein in letzter Minute eingebrachter Vermittlungsversuch der Minister David Magen (Likud) und Rabin (Arbeiterpartei) fehlgeschlagen war. Binnen 48 Stunden werden die Rücktritte nun wirksam. Die Chancen, daß sich die über die Modalitäten eines Nahost-Friedensprozesses zerstrittenen Koalitionspartner innerhalb dieser Frist noch einigen, gelten als gering.

Die Entlassung von Peres kam nicht völlig unerwartet. Der Likud will mit dieser Maßnahme der Arbeiterpartei die Initiative abnehmen. Denn diese wollte vermutlich die große Koalition durch ein Mißtrauensvotum stürzen, anschließend ihre Ministersessel in einer Übergangsregierung behalten und sich so eine gute Ausgangsposition für eine von Peres geführte kleine Koalition mit den strenggläubigen religiösen Parteien sichern.

Für die Minister der Arbeiterpartei steht fest, daß sich Schamir durch die Auflösung der großen, nationalen Koalition endgültig entlarvt und deutlich seine Ablehnung aller Friedensbemühungen gezeigt hat. Die Arbeiterpartei ist der festen Überzeugung, daß die israelische Öffentlichkeit die starre und friedensstörende Haltung des Likud klar erkennt und sich auf ihre Seite schlagen wird. Die aktuelle Situation schätzt man im Lager von Peres so ein: Am kommenden Donnerstag wird die Knesset die Regierung nicht bestätigen. Die Schamir-Regierung, nun ohne die zurückgetretenen Minister der Arbeiterpartei, wird in eine Übergangsregierung umgewandelt. Darauf wird Staatspräsident Herzog (Arbeiterpartei) Simon Peres auffordern, eine neue Regierung zu bilden. Im Moment scheint es, als hätte die Arbeiterpartei einen leichten Vorteil, was das Kräfteverhältnis in der Knesset angeht. Sollte das Parlament jedoch am Donnerstag die Regierung nicht stürzen, so wird Schamir weiterhin Chef einer „regulären“ Regierung ohne Arbeiterpartei bleiben. Aber es ist zu erwarten, daß eine solch schwache Likud-Regierung schon bei der ersten Meinungsverschiedenheit niedergestimmt wird.

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