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IM LAUFSTALL

■ Hucky Porzner in der Galerie Franz Mehring

Was fühlt ein Kamel beim Kauen? Was bedeutet es, wenn ein Mensch Augen und Mund weit aufreißt? Gestik und Mimik scheinen auf Gefühle und Gedanken zu verweisen: Das Kamel genießt zufrieden, der Mensch ist offensichtlich fürchterlich entsetzt. Daß die Entzifferung der Körpersprache nicht ganz so einfach ist, wie es auf den ersten Blick erscheint, zeigt die Ausstellung Kommunikaze der Berliner Künstlerin Hucky Porzner, die sich mit der Lesbarkeit der Körpersprache auseinandersetzt.

Rhythmografien nennt Porzner die mehrfach belichteten Aufnahmen laufender Füße, schlenkernder Arme, gähnender Münder. Körper werden zerstückelt, Bewegungen untergliedert und eingefroren. Die Einzelausschnitte dokumentieren, zu Collagen zusammengesetzt, eine Vielzahl menschlicher Gesten und Bewegungen.

Talking Faces, eine Serie großformatiger Fotos, wiederholt in Farbe und Schwarzweiß Ansichten von Kopf und Gesicht einer Frau. Doppelt und mehrfach belichtet ist sie auf jedem Bild in verschiedenen Ausdrucks- und Bewegungsstadien zu sehen. Für kurze Momente beginnt ihr Gesicht zu sprechen, dann wendet sie den Kopf und verschwindet, eine graue Spur hinter sich ziehend, aus dem Rahmen. Was von ihr bleibt, ist bestenfalls ein flüchtiger Eindruck. Aus dem Zusammenspiel von Talking Faces und Rhythmografien entsteht eine Art Notation der menschlichen Körpersprache. Im Rahmen der Ausstellung stimmen sie ein auf die Videoarbeiten Hucky Porzners im Keller der Galerie.

Zwei Monitore werden von schwarzen Pappsilhouetten belauert. Im rechten Video schnuppert ein Kaninchen, gähnt ein Nilpferd, blinzelt ein Löwe. Links daneben simuliert eine Schauspielerin simultan die Gestik und Mimik der Tiere. Oder umgekehrt? Schlußfolgerungen über die Bedeutung der Körpersignale werden durch den Synchronismus von Mensch und Tier relativiert.

In einem anderen Video setzen Tiere in schneller Abfolge Zeichen. Dazwischen montiert sind Bilder von Zoobesuchern, die Signale hinter den Gitterstäben zu deuten versuchen. Den akustischen Hintergrund bildet eine schrille Frauenstimme, die einen Forschungsbericht zitiert. Der Text spricht von der Eindeutigkeit der Körperzeichen, von allgemeingültigen Dekodierungssystemen und von deren Bedeutung für die interpersonale Kommunikation. In Hucky Porzners Version werden die Worte so lange wiederholt, mit Hall verfremdet, bis sie schließlich zu einem undefinierbaren Geräuschbrei verschwimmen.

Durch das Zusammenwirken der verschiedenen Austellungsteile wird die Eindeutigkeit der menschlichen Körpersprache ironisch kommentiert und in Frage gestellt. Auf konventionelle Deutungsmuster nonverbaler Zeichen reagierend, versucht die Ausstellung ein Gegenkonzept zu entwickeln: ein manchmal trotziges, insgesamt jedoch zu didaktisches Plädoyer für Miß-Deutungen und Eigen-Sinn.

Michaela Lechner

Kommunikaze. Bis 25.3. in der Galerie Franz Mehring, Mehringplatz 7, Di.-Fr. von 17 bis 20 Uhr, Sa./So. von 15 bis 19 Uhr.

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