piwik no script img

„Schnur ist ein ehrenwerter Mann“

Die Menschen „drüben“ können unterscheiden zwischen dem Einzelfall Schnur und der Allianz, meint Johannes Gerster von der CDU/CSU-Fraktion zur Situation vor der Wahl  ■ INTERVIEW

Der Vorsitzende des Demokratischen Aufbruchs, Wolfgang Schnur, hat nun die Vorwürfe bestätigt, daß er für den DDR -Staatssicherheitsdienst gearbeitet hat.

Johannes Gerster: Ich kann es mir kaum vorstellen. Das sage ich Ihnen ganz offen. Ich kenne ihn persönlich. Ich kann mir nur vorstellen, daß er unter Druck gesetzt wurde in einer bestimmten Situation und möglicherweise Informationen weitergegeben hat. Aber es ist mir trotzdem fast unglaublich. Klar ist jedenfalls, daß dieser Mann unter dem Druck des Staatssicherheitsdienstes gestanden hat. Das habe ich vor langen Jahren selbst einmal erlebt. Insofern stehe ich vor einem großen Rätsel. Ich hoffe nach wie vor - der Mann ist ja krank -, daß die Sache voll aufgeklärt wird, und kann nur noch einmal sagen: Ich habe Wolfgang Schnur als einen sehr ehrenwerten Mann kennengelernt. Es wäre für mich eine wahnsinnige Enttäuschung, wenn das tatsächlich stimmen würde. Ich kann es jedenfalls nicht glauben.

Welche Konsequenzen wird die CDU/CSU ziehen?

Was heißt Konsequenzen. Das muß erst einmal aufgeklärt werden. Der Mann ist im Moment krank. Er hat Anspruch auf ein faires Verfahren. Nur weiß ich, daß im Moment die Presse in der DDR und der Staatssicherheitsdienst einiges betreibt, was nichts mit einem fairen Verfahren zu tun hat. Ich hoffe, daß das sauber geklärt werden kann.

War es seitens der Union nicht etwas voreilig, für Schnur vorab Ehrenerklärungen abzugeben, wie es Generalsekretär Rühe gemacht hat?

Ich kann nur noch einmal sagen: Ich kenne den Mann und war von ihm persönlich überzeugt. Ich kann es nach wie vor nicht glauben. Aber bitte, das muß sauber aufgeklärt werden. Bisher gibt es in der DDR keine echten Grundlagen für ein faires Verfahren. Ich hoffe aber, daß das in Zukunft möglich wird.

Können Sie sich vorstellen, daß die Allianz nun noch die Wahlen gewinnt, nachdem das Geständnis des Herrn Schnur bekanntgeworden ist?

Wissen Sie, wenn westdeutsche Medien dem Herrn Krenz und dem Herrn Schnitzler und anderen Leuten Foren bieten und gar nicht mehr nach einer moralischen Integrität fragen, sondern sie fast als exotische Heilige in den westlichen Medien vorführen, dann rechne ich den Menschen drüben soviel Unterscheidungsvermögen zu, daß sie zwischen einer klaren politischen Linie und einzelnen Vorfällen unterscheiden können.

Johannes Gerster äußerte sich im Foyer des Deutschen Bundestags gegenüber Journalisten

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen