: Bonner Nebel um Notaufnahme
■ Regierung bereitet Gesetzentwurf zur Abschaffung des Notaufnahmeverfahrens für DDR-Übersiedler vor
Bonn/Hannover (dpa/taz) - Die Bundesregierung bereitet jetzt einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Notaufnahmeverfahrens für Übersiedler aus der DDR vor. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble teilte gestern nach der Sitzung des Bundeskabinetts mit, nach einer Stabilisierung der Verhältnisse in der DDR, möglichst gleich nach den Wahlen am 18. März, wolle man das Notaufnahmeverfahren abschaffen. Unklar blieb bei Schäubles Ausführungen vor dem Bundestag allerdings der genaue Termin für die Aufhebung des Notaufnahmegesetzes. Das Bundekabinett will möglicherweise doch weiterhin bis zur Übernahme der DDR -Ökonomie durch die Wirtschafts- und Währungsunion an dem umstritten Aufnahmeverfahren festhalten und eine weitere Zuspitzung der Lage in der DDR von sich aus nicht stoppen.
So sagte Schäuble vor dem Bundestag, die Weichen für die Änderung im Aufnahmeverfahren müßten in der DDR gestellt werden. Von den Wahlen und der angestrebten Wirtschafts- und Währungsunion erwartete Schäuble eine „Stabilisierung“ der Verhältnisse in der DDR. Mit diesen besseren Perspektiven könnten die Bürger in der DDR zum Bleiben veranlaßt werden, und damit entfalle dann auch die Notwendigkeit für weitere Notaufnahmen.
Für die Bundesratssitzung am Freitag zeichnet sich allerdings eine Mehrheit für die Forderung nach sofortiger Aufhebung des Notaufnahmegesetzes ab. In der Sitzung der Länderkammer wird sowohl ein entsprechender Antrag des Saarlandes und vier weiterer SPD-Länder als auch ein Antrag Niedersachsens Fortsetzung auf Seite 2
und Bayerns auf Aufhebung des Gesetzes vorliegen. Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht ging gestern „von einer Mehrheit für diese Initiative“ aus, auch wenn sich die Länder noch in dem einem oder anderen Punkt verständigen müßten. Auch wenn der Bund noch zuwarten wolle, werde der Bundesrat eine sofortige Aufhebung des Gesetzes fordern. Die DDR-Wahl am 18. März nannte Albrecht den richtigen Zeitpunkt für die Abschaffung des Notaufnahmeverfahrens. Falls nach dieser Wahl der Strom der Übersiedler noch einmal zunehmen werde, sei eine Abschaffung um so wichtiger. Es sei allerdings nur halb richtig, daß Niedersachsen nun Vorschläge von Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder übernommen habe, sagte der Ministerpräsident.
Sowohl von der Bundesregierung als auch in der Länderkammer werden darüber hinaus Änderungen im Aufnahmeverfahren für ÜbersiedlerInnen vorbereitet. In Zukunft soll dies immer in den Herkunftsländern durch die jeweiligen Botschaften der BRD durchgeführt werden. Nach den Vorstellungen Niedersachsens sollen in Zukunft einen Vertriebenenstatus nur noch ÜbersiedlerInnen aus der Sowjetunion und Rumänien erhalten. In den anderen osteuropäischen Ländern bestehe kein Vertreibungsdruck mehr, sagte Ernst Albrecht in Hannover. Anders als das Saarland plädiert Niedersachsen allerdings weiterhin dafür, alle „deutschen Volkszugehörigen“ in der BRD aufzunehmen. Auch wenn wie in Polen, Ungarn und der CSSR ein Vertreibungsdruck nicht mehr feststellbar sei, müßten Aussiedler aus diesen Ländern weiterhin aufgenommen werden - auch ohne Sonderleistungen
ü.o.
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