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AFRIKA WIE EDEKA

■ Kunst aus Afrika in der Etage Urbanhof

Figuren, Masken, Webarbeiten vom äußersten Westen bis weit in den Osten Afrikas sind in der neueröffneten Galerie „Etage Urbanhof“ den Blicken ausgeliefert. Über siebzig Objekte von Liberia bis nach Zaire ließ der Galerist exponieren. Gehen die Interessierten durch den schummrig ausgeleuchteten Raum, trauen sie ihren Augen kaum. Der Anspruch scheint enzyklopädisch. Wer über geübte Augen und fachliche Kenntnis disponieren kann, der wird erstaunt vieles wiedererkennen. Wer afrikanische Kunst als ästhetisches Ereignis schätzt, nur nach Form und Aussehen urteilt, der wird fasziniert sein. Dem Liebhaber verschlägt es den Atem; er wird hellwach.

Der Aufbau der Stücke folgt einem despektierlichen Konzept. Ein Objekt der Bambara (Mali) steht neben einem der Yoruba (Nigeria) und dies neben einem der Pende (Zaire). Weder ein ritueller Zusammenhang weist ihnen diesen Ort zu noch ein thematischer noch ein motivischer, sondern das Gutdünken der Ausstellungsmacher. Offenbar soll die undurchdringliche Vielfalt afrikanischer Schnitzarbeiten gezeigt und die Unverstehbarkeit dieser Objekte behauptet werden.

Wenn da beim Eröffnungsfest eine vive Tanz-Show die Stimmung heben soll und ein für Vernissagen außergewöhnlich freundlicher Wein (Spätlese und halbtrockene Auslese) aufgetischt werden, so fühlen sich die Besucher als willkommene Gäste - aber für die afrikanische Kunst ist wenig getan oder gewonnen. In dieser Ausstellung läßt sich studieren, wie nachlässig der Kunstmarkt mit Objekten jenseits des euro-amerikanischen Verstehenszusammenhangs umspringt. Als ob es egal wäre, wenn eine Axt aus Schweden neben einem Gartenzwerg aus Schwaben und einer Hexenmaske aus Baden präsentiert wird; als käme es nicht darauf an, ob ein Amulett gegen den bösen Blick aus Sizilien neben einem Tabernakel aus Trier und einem erblichen Brautschleier aus Holland liegt. Hauptsache, die Exponate kommen aus Europa; und die traditionsgebundenen Arbeiten der Schweden unterscheiden sich ja von denen der Sizialiner nicht erheblich. Jede Galerie kann ihre Ware so anbieten, daß sie sich rasch absetzt. Niemand verlangt mehr von einer Galerie ein schlüssiges Ausstellungskonzept, das vorrangig den Exponaten selbst entsprechen möchte. Mit etwas Geschick können ja auch Arbeiten von Mondiran und Baselitz neben Emblemen der Freimaurer vorgestellt werden. In dieser Präsentation aber stehen die Objekte nebeneinander wie Omo, Telefon und Zylinder: surreal wie ein Supermarkt - nur ein bißchen teurer. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Warenangebot „Kunst“. Die Objekte werden mit ihren Firmennamen bezeichnet: Herkunftsland und Stamm. Dazu spielt Musik von Miles Davis. That's it.

Über Afrika wissen viele noch immer nichts Genaues. Hunger, Katastrophen, Putschversuche und alle Greueltaten der Welt rhythmisieren unser Bild von Afrika. Seine Kunst ist vor allem durch das produktive Verkennen der Kubisten vermittelt und kultureller Besitz. Aber sonst? Jeder halbwegs Gebildete weiß über Mayas und Inkas mehr als über afrikanische Schnitz - und Webarbeiten. Wie wenig bedürfte es, um mit über siebzig Ausstellungsstücken eine andere Welt zu eröffnen und einen Zugang zu ermöglichen. Ein witziges Arrangement, ein Hinweisschild im Telegrammstil, ein kleiner kenntnisreicher Prospekt - eine mit Sorgfalt erarbeitete Ausstellung eben könnte Sympathisanten und Kunden gewinnen. Es geht nicht darum, die Trockenheit der Museen zu wiederholen. Aber es genügt nicht, afrikanische Figuren und Masken bloß auszustellen. Diese Nacktheit haben solche Figuren nicht verdient. Wären sie so gemacht und verwandt worden, wie sie nun ausgestellt werden, die Götterwelt hätte die Ignoranten verflucht und wie Hiob gepeinigt. Möge dieser Fluch nicht den Galeristen treffen, der als Postkolonialist seine Ausbeute wie Trophäen präsentiert. Eigennützige Interessen sind legitim, aber sie reichen nicht hin, Bruchstücke eines fremden Selbst- und Weltverstehens zu verhandeln.

Peter Herbstreuth

Kunst aus Afrika in der Etage Urbanhof, Dieffenbachstraße 36, 1/61, Montag bis Freitag, 14 bis 18.30 Uhr, Samstag, 10 bis 14 Uhr, bis 31. März.

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