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DIE NEUEN TRENDS

 ■  Mit 'dpa‘ auf der ersten West-Modenschau in Ost-Berlin

Frauen mit schönen Unterbeinen und weicher Taille können frohlocken. An westeuropäischen Standards orientierte, energisch an ihren Maßen arbeitende Bodybuilding-Damen werden der Verhüllung eher widerwillig anheimfallen, denn: „Eiförmige“ Mäntel bringt die nächste Saison. Bei der allfälligen Frage, ob die Schale gesprenkelt (Unikat), cremeweiß (Klassik) oder gar einfarbig braun (Natur) sein soll, leistet die geplante Farbpalette für den Herbst freundliche Hilfestellung im Multiple-choice-Verfahren: Sie können sich entscheiden zwischen Brombeer und Terrakotta, Blattgoldbeschichtung oder auch Curry in freier Kombination.

Wer das Land der Griechen noch immer mit der Seele sucht, der sei ihre Verkleidung nach Brigitte Haarke anempfohlen, denn die westdeutsche Designerin entwarf geschlungene und drapierte Abendkleider, teilweise gar mit Schleppe. Die Redaktion gibt zu bedenken, daß neben einer entsprechenden Frisur (ein Besuch einer zeitlosen Iphigenie -Inszenierung im örtlichen Theater kann hier inspirativ hilfreich sein) nur Grundkenntnisse des Griechischen einer Nacht in dieser Kostümierung zum vollen Erfolg verhelfen, da souveräner Stil, ernst genommen, sich erst aus der Veräußerlichung der Persönlichkeit selbst bilden kann. Ein wahrer Gentleman, welcher, um der Dame Sekt zu kredenzen, seine vorübergehende Entfernung mit einem munteren „Quo vadis, Marcus?“ begleitet hört, wird berechtigterweise enttäuscht den schönen Schein als eben solchen entlarven und sich irritiert und für immer abwenden. Wir empfehlen zur Sicherheit die unauffällige Mitführung eines Studienrats.

Wer hingegen trotz ernstzunehmender Bedenken der Weltöffentlichkeit mit dem Islam sympathisiert und dessen hegemoniale Bestrebungen auch auf dem Gebiet der Mode zu unterstützen sucht, findet bei der Modeschöpferin Ella Singh reiches Material für eine sprachlose, aber wirkungsvolle Solidaritätserklärung mit Pracht und Üppigkeit der Alten Welt: Reichbestickte Kleider und Hosenanzüge lassen die Müdigkeit an einer informationsübersättigten Welt vergessen und die mosaikhafte Schönheit des Musters ohne Bedeutung wieder erstehen. Um alle Zweifel an Ihrer neuen Identität im Keim zu ersticken, raten wir eine handliche Ausgabe des Koran, diskret in einer Falte plaziert, unbedingt an. Es gibt sehr leicht lesbare und nahezu gewichtslose Taschen(!)buchausgaben schon zum Schülerpreis an mittlerweile fast jeder Straßenecke, feilgeboten zum Kaufe. Eine vorausgegangene Lektüre der Satanischen Verse könnte kontraproduktiv werden, wenn auch eine Fehlleistung durch den Verzicht auf Alkohol (Conditio sine qua non Ihrer neuen Existenz) dies Vorkommen nicht verhindert, aber immerhin unwahrscheinlich macht.

Nachdem Meryl Streeps unendlich lange Beine das gesamte Geviert der Kolonialmode abgeschritten und ihre EpigonInnen das ihrige getan haben, uns Tropenhelme, Reiterhosen, uniformähnliche Anzüge und überhaupt mercerisierte Baumwolle, Naturleinen und Seide in Beigebrauntönen gewöhnlich erscheinen zu lassen, tritt nun der Pelzdesigner Dieter Zoern unbefangen die Nachfolge des imperialen Feldzuges Mensch gegen Natur, präziser: Frau gegen Tier, mit Verve und Technik an: Uns erfreuen gefärbte und geschorene Bisamratten, mit Rosen- und Raubtiermuster bedruckte Lammfelle und mit Plüsch gefütterte Nerze: „So mancher“, gibt hier 'dpa‘ (der wir die empirische Grundlage dieser Meldung verdanken) zu bedenken, „wußte nicht mehr, was Natur, was Kunst war“. Ja, wir leben in einer großen Zeit! Den Trägerinnen dieser Neuschöpfungen im wahren, allerwahrsten Sinne des Wortes (denn wenn die Natur sich steigern läßt, warum nicht auch die Wahrheit?) sei mit auf den Weg gegeben, daß dieser, gemessen am pekuniären Aufwand der Ausstattung, allzu kurz sein könnte, wenn sie sich an öffentlichen Orten, die zu Übergriffen und Zusammenrottungen geeignet erscheinen (dies kann eine Straße sein oder auch eine Straßenbahn), länger als minutenlang bewegen. Die Redaktion empfiehlt für Zoern-gewandete Damen, die dem Volkszorn nicht ausgeliefert zu sein wünschen, wahlweise die Mitführung eines Mitgliedsausweises des nächsten Tierschutzvereins, der World-wide-Organisation Greenpeace, eines Leibwächters oder eines Schäferhundes. Letzterer in unbedingt lebendiger Form.

Die zu Beginn angesprochenen Formprobleme, die mit einem eiförmigen Mantel ihr öffentliches Verschwinden feiern können, sind ja nicht jederfraus Sorge. Für alle, die aus der letzten Diät oder auch einer unglücklichen Kindheit eine Figur zurückbehalten haben, die ihr eigenes Verschwinden tendenziell beinhaltet, hält der Pariser Couturier Paco Rabanne eine Lösung bereit: Schmale, kurze Kleider aus den edelsten Stoffen, aus Metallplättchen oder Papier zelebrieren das eigene Verschwinden aufs wunderbarste. Dies legt jedenfalls der Zweifel unserer 'dpa'-Korrespondentin nahe, welche erwägt, ob diese Kleider, eigentlich „Kunstwerke“, nicht auch „durchaus in ein Museum passen“. Für ein solcherart kultiviertes Ausgehen empfehlen wir den vorherigen Besuch des örtlichen Musentempels, da die dialektische Verbindung von Raum und Kunstwerk (über die schon allzuviel geschrieben worden ist, als daß wir Sie jetzt mit den entsprechenden Erwägungen langweilen wollten) für die Auswahl des jeweiligen Modells aufschlußreich sein dürfte.

Achtung: Hierzu bietet 'dpa‘ Fotos an.

Nelke

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