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Auch die kleinen Parteien haben eine Chance

■ Keine Sperrklausel bei der Volkskammerwahl / Entschieden wird über 400 Sitze / 22.000 Wahllokale in 15 Bezirken / Wahlkabine Pflicht

Ost-Berlin (dpa/ap) - Bei den ersten demokratischen Wahlen in der DDR am Sonntag stehen die 12,2 Millionen Wahlberechtigten vor einer völlig neuen Situation: Konnten sie bisher allenfalls Kandidaten von der „Einheitsliste der Nationalen Front“ streichen, besteht jetzt die Möglichkeit einer Entscheidung zwischen 19 konkurrierenden Parteien und fünf Listenverbindungen, in denen sich 14 verschiedene Parteien und Gruppen zusammengeschlossen haben. (Siehe S.3)

Insgesamt sind es 15 Wahlkreise - in jedem Wahlkreis gibt es eigene Stimmzettel mit den jeweils drei ersten Kandidaten der Parteienlisten. Jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme. Es kann nur die Liste, nicht aber der einzelne Kandidat wie beim Persönlichkeitswahlrecht - angekreuzt werden. Die Benutzung der Wahlkabine ist Pflicht. Die Wahlkommission hatte vier Wochen Zeit für die Organisation. Für die 22.000 Wahlkreise werden rund 154.000 Wahlhelfer benötigt.

Entschieden wird über 400 (bisher 500) Sitze in der Volkskammer. Da es keine Sperrklausel - wie in der Bundesrepublik die Fünf-Prozent-Hürde - gibt, haben kleine Parteien durchaus die Chance auf einen Sitz in der Volksvertretung. Für ein Mandat sind 0,25 Prozent der abgegebenen Stimmen notwendig. Auch bringt das Verhältniswahlrecht und das Auszählverfahren nach Hare/Niemeyer den kleineren Parteien Vorteile: Die von jeder Liste erreichten Stimmen werden mit der Gesamtzahl der Abgeordnetensitze malgenommen und durch die Gesamtzahl der gültigen Stimmen für alle Listen geteilt.

Der dabei errechnete Wert ergibt die Anzahl der Mandate für die einzelne Liste. Bei einem Rest erhalten die Listen mit den höchsten Zahlenwerten nach dem Komma jeweils einen der noch verbleibenden Sitze. Die Zahl der Sitze für die Parteien wird zunächst zentral für die gesamte DDR errechnet und erst dann auf die 15 Wahlkreise verteilt, um so der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte in den Bezirken gerecht zu werden.

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