Laut-Stärke

■ Bremer Frauenjazzchor „Ein Ton tiefer“, Musikkabarett „Li(e)dschatten“ und Sängerin Ilse Zahn-Wienands konzertierten

Das Bürgerhaus bog sich. Fangruppen gaben kleine Pfeifkonzerte vor dem ersten Auftritt der Lokalmatadorinnen. Die Größe des Ensembles scheint die beste PR zu sein: Jede/n Fünften in der Szene verbinden freundschaftliche Bande mit einer der Sänge

rinnen. Oder ist der Grund für die Spannung im Saal die Außergewöhnlichkeit der gemeinsamen Laut-Stärke von 50 Frauen?

Stimmen sind Energiewellen, hörbare Stärke. Vielstimmiges Getön sind wir lediglich vom Fußball gewöhnt, dessen Stimm

schwall auch prompt vom Stadion her in die Terrassen eindrang. Außer der Chormusik der Hildegard von Bingen ist mir nur ein Frauenchor bekannt, die „Bulgarischen Stimmen“. Das Bremische Lokalensemble hat meine kritische Distanz nach kurzer Zeit

verführt - the Lullaby of Broadway, snipsnip. Schräg stiegen die Dreiklangstreppchen zur Höhe, als die Sängerinnen mit amerikanischem A-Capella-Swing begannen. Schmelzer und Orgler waren dezent eingesetzt, und man konnte kaum glauben, daß der Chor unter der Leitung von Brigitte Lück erst seit 790 Tagen singt. Leider schauten die Damen immer der Chefin in die Augen, ein Hüftschlenker fürs Publikum war nicht drin.

Später dann zeigte das versierte Terzett Li(e)dschatten Proben seiner kabarettistischen Liedkunst. Da waren die Berliner Töne von „Emil seiner unanständijen Lust“ der Brigitte Lück auf die Stimme geschrieben. Von dem jungen Mann in Casablanca war zu hören, dessen Frisur den versagenden Versuch erkennen

ließ, mit der Mode zu gehen. Die folgenden Liedkompositionen von Frauen waren im Gegensatz dazu melancholisch: Ein spanisches Lied von Maria, „die trotz ihres Leidens noch singen und tanzen konnte“, ein amerikanischer Worksong von der Sklavin Harriet Tubman, und eines über die verschwundenen Frauen in Chile. Dann kam ein Bruch, den ich nicht verkraften konnte. Die moderne expressionistische Komposition der Koreanerin Pach-Pan, gesungen von Ilse Zahn -Wienands, fiel aus dem Programm heraus. Der Text basiert auf Flugblättern und Gerichtsaussagen von Inge und Sophie Scholl - „Hohe Kunst“, für meine Ohren zu anstrengend. Trotzdem ein interessanter Abend, der Lust machte auf die eigene Stimme im Chor. gür