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Partisanen mit Weihrauch

Jetzt gibt es auch Alternativfußballer im Sammelalbum  ■  WIR LASSEN SAMMELN

Was haben wir sie gesammelt! Die Stars der Bundesliga, unsere Idole der Kindheit. Das Album gab's von Vatern zu Weihnachten, und dann die Tüten für einen Groschen oder zwei am Büdchen nebenan. In den Schulpausen wurde getauscht: Hoppi Kurrat gegen Willi Schulz, Ohlhauser gegen Manglitz, ein Emma gegen mindestens drei andere, ein legendärer Lippens mit heraushängender Zunge gegen ganze Stapel weniger glorreicher Schraubstollengestalten. Nostalgische Jugenderinnerungen. Die Zeit der Sammelalben ist vorbei...

Halt. Nicht ganz. Von Partisan Eifelstraße, jener an dieser Stelle schon mehrfach kritisch begleiteter Alternativfußballformation aus Aachen, gibt es jetzt „Das Familienalbum: legendäre Spieler, einzigartige Erinnerungen“. 53 Bilder, meistens im teamspezifisch grün und weiß gehalten, gilt es von dieser Elf zu sammeln, die natürlich mehr ist als elf Spieler. Da hat selbst das aufgeblasene Maskottchen seinen fotogenen Platz, Spielerfreundinnen und -gattinnen blicken als „gefürchtete Südkurve“ vom Foto. „Unsere Gegner, unsere Freunde“ zeigt eine Auswahl auswärtiger Buntligagrößen wie Krefelds unverwüstlichen Intimchef Schippkus von Gib mich die Kirsche, den Generalsekretär Schustl von Kassels Dynamo Windrad oder „Südseeballakrobat Wenz“ von Nürnbergs Ex -Meister Flamengo Rosenau.

Schwerpunkt bleibt natürlich die ironische Selbstbeweihräucherung, mit biographischen Eckdaten und leibesüblerischem Werdegang („geb. 1955, 341 Sp., 13 Tore, 26 Länderspiele, vorher: samstags, 18.15 Uhr, Sportschau“) sowie personenzentrierten Kommentaren unter den Bildchen, ganz wie bei den Vorbildern. In einer spielkulturellen Endlosschleife agiert Verteidiger Bungarts: „Spielt seinen Gegenspielern gerne die gerade abgejagten Bälle wieder zu, um sie ihnen dann erneut abzujagen.“ Der Chirurg Dr. Weeg im Mittelfeld „zieht beruflich wie privat die Fäden“, Dirigent Becker (unter so vielen anderen) spielt gesundheitsbewußt „mit linksfußdrehenden Ballkulturen in Demeterform“, womit er immerhin 0,449mal pro Kick das Tor trifft. Neben ihm kodirigiert Dauerläufer Hardebusch, dessen „Gegenspieler 4 Lungen braucht oder nach 5 Minuten einen Stammplatz unter dem Sauerstoffzelt“. „Der athletische Linksaußen Ratka“, ein Bruder des Düsseldorfer Handballprofis, spiele „Fußball hautnah“, ist deshalb „beliebt bei den Orthopäden seiner Gegenspieler“. Einmalig, daß beide Torhüter die Eins tragen dürfen, der eine eine „1“, der andere eine „I“. Nicht mehr einmalig in den postmodernen Zeiten windschnittiger Trikotagen sind der Partisanen Schnürleibchen quergestreift und 50er-Jahre-Hosen längsgestreift, die den kleineren Partisanen bis über die Knie baumeln. Bekanntlich haben Münchens Bayern jetzt die Schnürkragenmode nachgeäfft.

So sieht man nun, nach dem Buntligakick oder des Abends in verrauchten Aachener Kneipen, erwachsene Männer ihre Bildchen tauschen: einen Torjäger Steinseifer gegen zwei Abwehrrecken, einen Teamchef Blickhäuser („der dogmatische Linksverteidiger“) gegen seine Gattin plus 85er Mannschaftsfoto (lokale Meisterschaft). Selbstverständlich, daß es ausgesprochene Raritäten gibt - so wie früher Hans Tilkowski im ganzen Ruhrgebiet kaum vertütet war oder Lothar Ulsaß im Braunschweigischen. Äußerst selten im Partisanenalbum ist das Bild „Zugänge 1990“, ein Stilleben von Liegestühlen, natürlich auch in grün und weiß und gestreift. Hinweis auf einen bevorstehenden Ruhestand? Nein, schließlich ist langfristig für Nachwuchs gesorgt: Joscha, der im Meisterjahr von Rechtsaußen Schabbi („unermüdlich in der Jugendarbeit“) gezeugt wurde, posiert da nacktärschig, und unter seinem Dribbelbild ist vermerkt, er „konnte schon jetzt zu verbesserten Konditionen (jeden Monat zwei Pakete Pampers) langfristig an Partisan gebunden werden“.

Bernd Müllender

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