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„Die Bevölkerung muß überwacht werden!“

Rumäniens berüchtigter Geheimdienst Securitate wird weiterhin gebraucht, meint Securitate-Mann Mihai Montanu / Kritische Journalisten werden häufiger bedroht / Ein Gespräch mit dem Mitglied der „Front zur Nationalen Rettung“  ■ D O K U M E N T A T I O N

Der Prozeß gegen 21 ehemalige Verantwortliche der Securitate und der Miliz ist am Freitag in Temeswar um zwei Monate verschoben worden. Viele Kritiker der jetzt herrschenden „Front der Nationalen Rettung“ sehen damit ihre Meinung bestätigt, die Front gehe nicht scharf genug gegen die Securitate vor. Bereits Anfang Februar richteten 46 rumänische Intellektuelle einen offenen Brief an den Provisorischen Rat zur Nationalen Einheit, in dem sie die Information der Öffentlichkeit über den Zustand des Sicherheitsdienstes forderten.

Die Fragen blieben unbeantwortet. Dagegen erhielten kritische Journalisten Morddrohungen. Angst und Terror scheinen sich wieder breitzumachen in Rumänien. Die nach der Revolution von jungen Leuten gegründete Temeswarer Zeitung 'Timisoara‘ brachte am 8.März nachstehendes Interview mit dem ehemaligen Securitate-Offizier Mihai Montanu, das sie der Zeitung 'Baricada‘ entnahm. Auch die Redaktionsmitglieder von 'Timisoara‘ wurden bereits mit dem Tode bedroht. Mihai Montanu ist Berater des Ministers für Erdgas und Erdöl und begleitete Ion Iliescu bei der Begegnung mit den Bergarbeitern aus dem Schiltal. (Helmuth Frauendorfer

Liviu Valenas: Herr Montanu, wie schätzen Sie die letzten politischen Entwicklungen bei uns im Lande ein? Halten Sie es für richtig, daß sich die Front an den Wahlen beteiligt?

Mihai Montanu: Es ist sehr richtig, daß die Front an den Wahlen teilnimmt; sie ist die seriöseste politische Kraft. Ich bin überzeugt, daß sie die Wahlen gewinnen wird.

Ist es nicht ein Fehler der Front, daß es über den Status der Securitate immer noch keine Klarheit gibt? Die Bevölkerung ist unzufrieden darüber, daß die Securitate als eine starke Organisation weiter zu existieren scheint.

Sie sind kein Fachmann in diesem Bereich, Sie wissen nicht, wovon die Rede ist.

Ich sehe aber keinen Sinn darin, daß in einem demokratischen Staat eine derartige Organisation die Bevölkerung ausspioniert. Unter solchen Bedingungen kann von Demokratie keine Rede sein.

Leute wie Sie dürften Ihre Meinung über die Securitate nicht äußern. In der Securitate haben wir hochqualifizierte Fachleute, wahre Profis, die der Staat braucht. Ich wiederhole, Sie haben keine Ahnung, und ich weiß nicht, weshalb Sie sich da einmischen.

Ich mische mich nicht ein, ich frage nur. Ich bleibe bei meiner Auffassung, daß man mit 170.000 Securitate-Profis keine Demokratie aufbauen kann. (...) In einem zivilisierten Staat darf die Bevölkerung nicht dauernd ausspioniert und durch Beobachtung eingeschüchtert werden.

Ich wiederhole: Sie haben keine Ahnung, Sie sind Journalist und so viel. Überlassen Sie es anderen, darüber zu urteilen, was zu tun ist. In der Securitate haben wir sehr wertvolle Fachleute, die wir um jeden Preis behalten müssen. Und das tun wir auch. Die Bevölkerung muß, wie auch bisher, überwacht werden.

Werden auch die Telefongespräche abgehört, die Briefe gelesen?

Ja, denn das betrifft die Sicherheit des Staates.

Glauben Sie nicht, daß die Bevölkerung in den 25 Jahren Ceausismus genug ausgeharrt hat, um jetzt auch nur den Gedanken ertragen zu können, daß sie weiterhin beobachtet wird wie bisher?

Was die Bevölkerung glaubt, spielt keine Rolle. Wichtig ist, daß wir unsere wertvollen Fachleute behalten, die wir später brauchen werden.

Beziehen Sie sich auf die Zeit nach den Wahlen?

Ja, zum Beispiel darauf. Die Front wird die Wahlen gewinnen. Wir haben keine Angst vor den Wahlen. Die politischen Parteien sind schwach. Nur die Presse bereitet uns Kopfzerbrechen, ein Teil der Presse. Journalisten wie Sie, zum Beispiel. Ich nehme an, Sie sind sich bewußt, welcher Gefahr Sie sich aussetzen.

Dessen bin ich mir sehr wohl bewußt. Aber das ändert nichts an dem Sachverhalt. Womit beschäftigen Sie sich zur Zeit, Herr Montanu?

Ich mache schönen Frauen den Hof. Das ist eine Beschäftigung, die sehr viel Verantwortungsgefühl erfordert!

Ich danke Ihnen für das Gespräch!

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