: Ringen um Zeit
■ Deutsch-deutsches Podium zur Medienzukunft der DDR
(dpa/taz) - Presse und Medien der DDR brauchen nach den Jahren des Meinungsmonopols der SED genügend Zeit, um Vielfalt und eine eigene Identität entwickeln zu können. Diese Meinung vertrat am Rande der Leipziger Buchmesse ein prominent besetztes Podium bei einer Diskussion über die Grenzen und Möglichkeiten der neugewonnenen Pressefreiheit der DDR. Vertreter aus Medien, Politik und Kultur beider deutscher Staaten debattierten über Probleme der immer noch in den Redaktionen tätigen Repräsentanten des alten Systems und über die Notwendigkeit eines Mediengesetzes für die DDR.
Ein Sprecher von Demokratie Jetzt, der Filmemacher Konrad Weiss, wandte sich vehement gegen den „Einmarsch“ der bundesdeutschen Großverlage in die DDR, wo sie nach dem Monopol der Partei nun ein kommerzielles Monopol bilden könnten. Grundsätzlich seien alle Publikationen aus dem Westen im Lande willkommen, müßten aber, um Arbeitsplätze zu schaffen, in der DDR gedruckt und von einem eigenen Pressevertrieb ausgeliefert werden, sagte Weiss bei der vom Hamburger Verlag Gruner und Jahr und dem Leipziger Gewandhaus gemeinsam organisierten Diskussion.
Für eine Förderung von alternativen und mittelständischen Presseunternehmen sprach sich Karl-August Kamilli, stellvertretender Vorsitzender der DDR-SPD aus. Die neuen Zeitungen dürften nicht von „Organen des stalinistischen Staates“ übergehen zu Medien, die kommerziell „zensiert“ würden, warnte der Sozialdemokrat. Verantwortungsbewußtsein, „das im Bereich der Massenmedien vielleicht das wichtigste Wort ist“, klagte der Leipziger Gewandhaus-Kapellmeister Kurt Masur ein. Die Ost-CDU, die sich bislang kaum zu Zukunftsplänen der DDR-Medienlandschaft geäußert hat, wird nach ihrem glänzenden Wahlerfolg nun wohl den entscheidenden Weg weisen. Die Sympathie ihrer westlichen Schwesterpartei für Privatfunk und Großverlage ist ja bekannt. Sogesehen hat die überwiegende Mehrheit der DDR-Bürger am Sonntag nicht nur für schnellen Anschluß, Währungsreform und Wirtschaftsunion gestimmt, sondern auch für die schnelle Vereinnahmung des Medienmarktes durch die Verlage Springer, Burda und Bertelsmann.
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