: Tiefflüge über C-Waffen-Bunker
■ In Clausen in der Westpfalz finden weiterhin gefährliche Überflüge über Giftgas-Depots statt / Laut US-Sicherheitsbericht sind die Munitionsiglus nicht gegen Abstürze gesichert
Clausen (taz) - Schon im Vorfeld des geplanten Abzugs der amerikanischen Chemie-Waffen aus dem C-Waffendepot Clausen in der Westpfalz gibt es offenbar massive Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen. Mehrere Augenzeugen bestätigten gegenüber der taz, daß trotz eines vom Bundesverteidigungsministerium erlassenen Tiefflugverbots in einem Umkreis von drei Kilometern und unter eine Höhe von 900 Metern noch in der letzten Woche zahlreiche Militärmaschinen zum Teil dicht über die Gemeinde Clausen und die C-Waffendepots gerauscht sind.
Der Clausener Förster Huber berichtete auf Anfrage von „mehreren Überflügen“ mit einer Flughöhe, die „mit Sicherheit weit unter 900 Metern“ gelegen habe. Auch gegenüber der Friedenskoordination Westpfalz gaben Augenzeugen ähnlich lautende Berichte. Eine Zeugin will sogar Luftkampfübungen innerhalb der Sperrzone beobachtet haben.
Am selben Tag, als Clausen als Lagerort der rund 400 Tonnen C-Waffen bekannt wurde, demonstrierte die US-Luftwaffe mit dröhnenden Überflügen dem rheinland-pfälzischen Innenminister Rudi Geil (CDU), wie ernst seine Forderung nach einem generellen Überflugverbot in Lagernähe genommen wird. Geil wußte seit mindestens einem Jahr über den C -Waffenstandort Bescheid, hielt sich aber bis zur letzten Woche mit der Forderung nach einem Überflugverbot zurück.
Die Koordination zwischen der Hardthöhe und dem Mainzer Innenministerium scheint gestört: Denn Geil gab am letzten Mittwoch in Clausen bekannt, das Verteidigungsministerium habe ihm gegenüber von einem Überflugverbot gesprochen. Nach taz-Informationen konnte davon aber zu dem Zeitpunkt noch keine Rede sein.
Immerhin konnte der Mainzer CDU-Politiker inzwischen eine Ausweitung des Sperrgebiets und eine Heraufsetzung der Mindest- flughöhe erreichen, heißt es nun aus dem Mainzer Innenministerium. Von den neuerlichen Verstößen erfuhr man dort aber wiederum erst durch Anfrage. Die Überflüge werden dort kaum als eine Sicherheitsgefährdung gesehen. „Wir glauben den Militärs, wenn sie uns sagen, auch bei einem Absturz sind die Depots sicher“, hieß es. Doch das ist offenbar eine Verharmlosung: Nach der Umweltverträglichkeitsstudie des US -Verteidigungsministeriums vom Januar 1988 für die in den USA lagernden C-Waffen wird von den - mit denen in Clausen identischen - Munitionsiglus nur eine Widerstandsfähigkeit gegen Abstürze kleiner Flugzeuge „erwartet“, wie es in der dreibändigen Studie heißt. Größere zivile Flugzeuge oder Militärjets könnten dem Pentagonbericht zufolge die Iglus sehr wohl „brechen“ und eine Explosion der darin gelagerten Munition auslösen. Gleiches gelte bei einem durch einen Absturz in der Nähe der Lager verursachten, nicht eindämmbaren Brand. Beiden Möglichkeiten hatten deutsche und amerikanische Militärs bei einer Sicherheitsvorführung in der letzten Woche vehement widersprochen.
Thomas Krumenacker
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