Freihandelszone am Reichstag

■ Potsdamer Platz, Brandenburger Tor, Reichstag: Im „Niemandsland“ zwischen Demarkationslinie und Mauer kann ohne Genehmigung gehandelt werden /Ost- und West-Behörden greifen nicht ein

Am Potsdamer Platz, rechts und links des Brandenburger Tors und hinter dem Reichstag ist eine Art „Freihandelszone“ für DDR-Devotionalien und -Überreste sowie Würstchen und Coca -Cola entstanden. Dort kann, mitten im historisch -touristischen Zentrum der Stadt, ohne behördliche Erlaubnis und ungestörter als auf dem „Polenmarkt“ gehandelt werden.

Weder Westberliner Polizei noch das Tiefbauamt Tiergarten, weder Volkspolizei noch Grenztruppen können den Kleinhandel mit Mauerresten, Orden, NVA-Militaria und Honecker -Autobiographien verhindern, denn er findet im sogenannten „Unterbaugebiet“ der Mauer statt. Dieses „Niemandsland“ entstand, weil die DDR die Mauer durchweg einige Meter hinter der eigentlichen Demarkationslinie plaziert hat, aus taktischen Gründen und um den Schutzwall jederzeit warten und reparieren zu können. Schon seit Jahren ist es bei Einsätzen von Zoll, Feuerwehr und Polizei im „Unterbaugebiet“ zu west-östlichem Kompetenz- und Hoheitsgerangel gekommen.

Wie Baustadtrat Horst Porath vom Bezirksamt Tiergarten und Sprecher von Polizei und Zoll bestätigten, wird vom Potsdamer Platz bis Reichstag seit mehreren Wochen gehandelt, ohne daß West-Behörden eingreifen können. Baustadtrat Porath sagte der taz, daß es auf dem Boden des Bezirks Tiergarten nur eine Handelserlaubnis für die Kioske am Potsdamer Platz gebe. Auf Tiergartener „Straßenland“ sei das Handeln selbstverständlich an den obengenannten Stellen nicht genehmigt. Wer dort Mauerbrocken verhökere, müsse damit rechnen, nach Kontrollen von Polizei und Tiefbauamt eine Ordnungswidrigkeitsanzeige zu kriegen. Allerdings seien die Personalreserven hierfür nur gering, räumte Porath ein. An Absperrungen des Gebiets sei bisher nicht gedacht worden, sie seien dort auch nur schwer durchführbar. Die Aufstellung zusätzlicher Müllcontainer und Öffentlicher Toiletten wie beim „Polenmarkt“ sei bisher nicht notwendig. Für den Streifen direkt an der Mauer sei sein Amt aber nicht zuständig.

Auch die Volkspolizei und die Grenztruppen der DDR hätten sich bislang zurückgehalten und nicht eingegriffen, sagte ein Westberliner Polizeisprecher.

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