Südafrikas Killerkommandos im Visier

■ Nach Enthüllungen eines Mitgliedes von Polizeischwadronen ist klar: Sowohl Militär wie auch Polizei jagten, bedrohten und töteten Anti-Apartheid-Aktivisten - und tun es vielleicht noch / De Klerk setzte eine Kommission ein, um den Sicherheitsapparat zu kontrollieren

Johannesburg (taz) - Ja, seine Organisation habe ein Bombenattentat auf das für seine Anti-Apartheid-Politik bekannte „Early Learning Center“ in Kapstadt verübt. Ja, Erzbischof Tutu habe man einen Affenfötus an einen Baum im Garten gehängt und vergiftete Nägel vor die Wohnungstüren gelegt. Was da vorgestern von Militär-Agent Abraham van Zyl alias „Slang“ („Schlange“) vor einer Untersuchungskommission in Pretoria ausgebreitet wurde, klingt nicht wie ein Krimi, sondern eher wie dem Tagebuch eines Psychopathen entnommen. Doch hinter dem Irrsinn lauert System: Es geht um Todesschwadronen.

Die Zeichen im Sicherheitsapparat stehen auf Sturm. Mit einer Publizität, die noch vor einiger Zeit undenkbar gewesen wäre, wird seit mehr als zwei Wochen über Mord, Folter und bizarre Einschüchterungsversuche südafrikanischer Todesschwadronen vor der von Richter Louis Harms geführten Kommission berichtet. Betroffen sind sowohl die Polizei als auch geheime Einheiten des Militärs, die seit Jahren ApartheidgegnerInnen im In- und Ausland verfolgt und ermordet haben. Von über 70 „ungelösten“ Todesfällen allein der Polizei ist die Rede. Führende Polizisten und Soldaten wie auch Verteidigungsminister General Magnus Malan könnten aufgrund der Aussagen zum Rücktritt gezwungen werden.

Den Stein ins Rollen brachte der Schwarze Almond Nofomela (32), ehemaliges Mitglied einer Sondereinheit der Polizei, der im Oktober kurz vor seiner Hinrichtung wegen Mordes an einem weißen Farmer auspackte. Er gestand seine Beteiligung an von der Polizei angeordneten Morden. Daraufhin wurde seine Hinrichtung aufgeschoben. Wenig später bestätigte der ehemalige Leiter der Mordeinheit der Polizei, Dirk Coetzee, Nofomelas Aussagen. Coetzee selbst floh aus Südafrika und schloß sich später dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) an. Ausdruckslos gestand Nofomela vor zwei Wochen eine Reihe von Morden an politischen Aktivisten. Auf die Frage, ob er als Polizist jemals einen Verdächtigten verhaftet habe, sagte er nach kurzem Nachdenken: „Ja, einmal. Aber ich verhafte normalerweise nicht, ich entführe oder töte gleich.“ Daß der führende Polizeioffizier Sam Maritz letzten Donnerstag Nofomela vorwarf, alles erfunden zu haben - „es gab keine Polizeikiller, es gibt sie nicht, und es wird sie nie geben“ -, wirkt nach allen Detailangaben nicht sehr glaubwürdig. Die Kommission erwägt nun offenbar eine Befragung Coetzees selbst.

Brisanter ist momentan allerdings die Befassung der Kommission mit den kriminellen Machenschaften des „Büros für zivile Zusammenarbeit“ (CCB) des südafrikanischen Militärs. Die Existenz dieser Einheit wurde im Laufe einer Polizeiuntersuchung der Morde an dem Anti-Apartheid -Aktivisten David Webster im Mai 1989 in Johannesburg und dem weißen Swapo-Mitglied und oppositionellen Rechtsanwalt Anton Lubowski im September 1989 in Namibia aufgedeckt. Die Vorwürfe gegen das CCB haben zu wiederholten Forderungen nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister General Magnus Malan geführt. Malan hatte vor kurzem behauptet, Lubowski sei Geheimagent des Militärs gewesen und könne deshalb nicht vom Militär ermordet worden sein, was einen Sturm der Entrüstung nicht nur in Namibia ausgelöst hatte. Diese Behauptung soll ebenfalls von der Kommission untersucht werden. Beweise blieb Malan schuldig.

Der militärische Leiter des CCB, Generalmajor Edward Webb, bestätigte vorletzte Woche, daß die Geheimorganisation mindestens 139 Agenten im In- und Ausland bezahle. Zur Zeit befasse sich die Gruppe mit etwa 150 „Projekten“. Zu verschiedenen „Projekten“ des CCB wollte er keine Auskunft geben. Es wurde jedoch bekannt, daß seine Agenten den Mord des Mandela-Rechtsanwalts Dulla Omar in Kapstadt geplant hatten. Der Plan, Omars Herzpillen mit Gift zu versetzen, wurde jedoch aufgegeben. Auch am Gepäck des Generalsekretärs des südafrikanischen Kirchenrates, Frank Chikane, sollen CCB -Agenten sich zu schaffen gemacht haben. Chikane war letztes Jahr erkrankt, nachdem seine Kleider auf einer USA-Reise mit Giften infiziert worden waren. Verteidigungsminister Malan behauptete bisher, erst ab November letzten Jahres von der Existenz des CCB erfahren zu haben. Beobachter werfen ihm deshalb entweder Inkompetenz als Minister oder Falschaussage vor.

Die Hartnäckigkeit, mit der die Polizei die Untersuchung des CCB verfolgt hat, deutet auf Rivalitäten zwischen den beiden Branchen des Sicherheitsapparates hin. Die Polizei wollte wohl nicht allein politischer Morde angeklagt werden und ließ deshalb die Existenz des CCB an die Öffentlichkeit durchsickern. Das Kalkül de Klerks ist, den Einfluß des Sicherheitsapparats in der Regierung zu reduzieren. Unter de Klerks Vorgänger Pieter Botha bestimmten Militär und Polizei die Politik. „Reformer“ de Klerk will aber die Rolle von Parlament und Kabinett aufwerten. Deshalb hat er wohl eine lückenlose Aufklärung aller kriminellen Aktivitäten von Polizei und Militär versprochen.

Hans Brandt/AS