: Japan AG: Bleibt in der DDR nur eine Nebenrolle
Die Firmenphilosophie der Zentralen in Tokio paßt nicht in die Aufbruchsstimmung, die in den bundesdeutschen Tochterunternehmen herrscht / Zu großes Technologiegefälle für Joint ventures / „Die Entwicklungen genau studieren - und dann das Geschäft genau machen“ ■ Von Dietmar Bartz
Kaum ein Tag ist in der letzten Woche vergangen, in dem nicht ein bundesdeutscher Konzern eine Kooperation mit einem staatseigenen DDR-Betrieb bekanntgegeben hätte - manchmal waren es gleich ein halbes Dutzend am Tag. Deutlich weniger präsent waren die Firmen aus den USA und den anderen westeuropäische Staaten. Gerade ist die Leipziger Messe zu Ende, am Mittwoch beginnt die Computer-Show CeBIT in Hannover, da fällt auf, daß es für ein Land in puncto DDR düster aussieht: für das der aufgehenden Sonne. Die japanischen Konzerne haben im neuen Markt noch nichts zu melden - und die Zeit arbeitet einstweilen gegen sie.
„Wir müßten sehr viel schneller handeln“, klagt etwa Julia Sattel aus der Marketing-Abteilung von Toshiba im rheinischen Neuss, „die Märkte werden jetzt verteilt.“ Die Händler, die sich nun in der oder für die DDR mit Unterhaltungselektronik einzudecken gedenken, wollen höchstens fünf Marken, und sie wollen ihre Entscheidung bald fällen. Auch Norbert Braun, bei Epson in Düsseldorf für den Osteuropa-Export vor allem von Druckern zuständig, wartet noch auf grünes Licht aus der japanischen Firmenzentrale, um ein eigenes Vetriebssystem in der DDR aufzubauen. Und Öffentlichkeitsarbeiter Frank Tafertshofer von Sony in Köln kann nur mit den Schultern zucken: „Es gibt noch kein Konzept.“
Während Volkswagen schon Richtung Zwickau losgespurtet ist, Opel bereits auf 48 Vertragshändler stolz ist und Dutzende von Westunternehmen auf Währungsunion und endgültige Genehmigung ihrer Koopertaionsverträge warten, wird in japanischen Managementetagen noch das Vorgehen beraten. „Das ist eine Frage der Mentalität und der Denkweise“, erklärt Epson-Mann Braun. „Wenn etwas anders ist als sonst, muß man einem Japaner deutlich und plausibel machen, welches Vorgehen einen Sinn macht. Wenn aber etwas einmal eingesehen ist, dann wird das bis zur letzten Konsequenz durchgeboxt.“
Auch die japanischen Manager selbst sehen es so. „Westdeutsche Unternehmen erklären schnell eine Zusammenarbeit, ohne etwas Konkretes in der Hand zu haben. Japanische Unternehmen studieren die Entwicklungen genau, aber dann machen sie das Geschäft auch genau“, sagt etwa Tsutomu Uemura, Repräsentant der Toshiba Corporation im (Ost -)Berliner Internationalen Handelszentrum.
Unübersichtlich geworden ist das Geschäft tatsächlich. Weitgehende Unklarheit herrscht etwa über die Entwicklung der Preise und Löhne und über den Umfang, in dem sich der Sektor Information in der DDR entwickeln wird - denn der soll die dafür passenden Gerätschaften vom Fax bis zur hochauflösenden Fernsehkamera benötigen. Tadatoshi Kurokawa, der in der Tokioter Firmenzentrale von Toshiba die Abteilung UdSSR und Osteuropa leitet, benennt aber vier Felder, auf denen zunächst Klarheit geschaffen werden müsse, um die Geschäftstätigkeit seines Hauses in der DDR zu verstärken: die Währungsunion, die Folgen der Wahl, die Sicherheit, daß die DDR-Seite ihre Handelsverpflichtungen einhalten kann, und Investitionsgarantien.
Geringes Handelsvolumen
Bislang haben die CoCom-Bestimmungen zur Verhinderung des Technologie-Exportes in die DDR die Belieferung mit japanischen HighTech-Produkten weitgehend verhindert; umgekehrt wußten sich etwa auch die DDR-Hersteller von Unterhaltungselektronik, Kameras oder elektronischem Bürobedarf die Konkurrenz im Lande oder gleich im ganzen RGW vom Halse zu halten. Der Zuschlag für Auslandsaufträge wurde auch nach außenpolitischen Erwägungen erteilt. Ein wirklich großer Wurf gelang bislang vor allem dem Autokonzern Toyo Kogyo, und auch das nur im Frühjahr 1982, als er mehr als 10.000 Mazdas in die DDR lieferte. 1988, so hat das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln ausgerechnet, betrug der Handel zwischen den beiden Ländern nur 246 Millionen Dollar oder nicht einmal ein Prozent des gesamten DDR-Außenhandels. 152 Millionen Dollar kosteten die japanischen Importe in die DDR, einen Wert von 93 Millionen Dollar hatten die DDR -Exporte nach Japan - worunter zu einem großen Teil Kompensationsgeschäfte zu verstehen sind, bei denen die Importwaren nicht mit Devisen, sondern mit Exportwaren zu bezahlen waren. Unschwer ist festzustellen, von welchen Konzernen die Importe stammen; für die rund zwanzig Firmen und Handelshäuser bestand, wie für Westunternehmen auch, Präsenzpflicht auf der Leipziger Messe. Aus einer Reihe von Gründen sind alle ausländischen Konzerne gegenüber der Konkurrenz aus der Bundesrepublik ins Hintertreffen geraten. Da ist zum einen die kulturelle Nähe, die gemeinsame Vergangenheit und die gemeinsame Sprache. Der Vertreter eines der weltgrößten japanischen Handelshäuser aus der Umsatzklasse um die 100 Milliarden Dollar, die so diskret arbeiten, daß sie weder den eigenen noch den Namen ihrer Beschäftigten in der Zeitung sehen wollen, kennt noch weitere Gründe. Während sich die Unternehmen seines Landes bislang auf reine Handelsbeziehungen beschränkt haben, wurden zwischen den bundesdeutschen und westeuropäischen Firmen und den DDR-Kombinaten die Kooperationen bis hin zu Zulieferverträgen entwickelt.
Zudem seien sich die BRD-Firmen der politischen Vereinigung bereits sicher, spekulierten schon auf die Vereinigung mit den DDR-Betrieben und wirkten bereits an der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit. Ergebnis: „Ausländer haben da kein Wort mitzureden.“ Die Gründung der so beliebt gewordenen Gemeinschaftsunternehmen zumindest mit japanischen Gesellschaften sei ebenfalls kompliziert. Die Konzerne, wenn sie überhaupt eine Produktionsstätte in Europa aufbauen, installieren die allermodernste Technologie. „Das große Gefälle zwischen dem Niveau hiesiger Betriebe und dem der japanischen Partner würde viele Schwierigkeiten verursachen“, urteilt der Manager.
In die Unternehmensphilosophie vieler Hersteller passen Joint-ventures ohnehin nur selten. Der Computer- und Peripheriehersteller Epson war mit seinen jährlich etwa 15.000 Drucker bisher Hauptlieferant für die DDR, während Robotron entweder zu wenige oder nicht hinreichend spezifizierte Printer baute. Epson steht kurz vor der Gründung eines weiteren Produktionsbetriebes für den EG -Markt und hat bislang außer mit seinen Vertragshändlern nie mit einer dritten Partei zusammengearbeitet. „Es haben Gespräche stattgefunden“, bestätigt Osteuropa-Experte Braun, und Robotron-Generaldirektor Friedrich Wokurka war auch schon bei Epson in Japan - „aber ohne daß etwas Schriftliches fixiert worden wäre“, versichert er.
Nun kommt mit der Marktwirtschaft auch die Konkurrenz; jetzt haben DDR-Unternehmen die Wahl. Die bundesdeutschen Unternehmer haben ihre Sessel, auch wenn sie noch leer sind, bereits in die Büros der Kombinate und VEBs gestellt. Wenn der kommerzielle Wechselkurs zur Währungsunion 1:2 oder 1:3 wird, werden auch die japanischen Importe recht teuer; der Marktkampf wird dann im jeweiligen unteren Segment der Preispalette stattfinden. „Es gibt keine stabilen Lieferbeziehungen mehr“, sieht Braun. Auch bei Konkurrent Toshiba, der außer Unterhaltungselektronik vor allem elektronische Komponenten lieferte, wird sich das Liefersortiment stark verändern. „Der Marktanteil von Toshiba wird zurückgehen“, erwartet Tsutomu Uemura, „aber der Toshiba-Umsatz insgesamt wird steigen.“ Er zeigt Gelassenheit - Zuwächse sieht er trotz der hohen Preise vor allem in den Informationstechnologien. „Aber das wird länger dauern, weil die Produkte hochwertiger sind und damit die Marktplazierung schwieriger wird.“ Und auf lange Sicht und die weltweiten Exporterfolge japansicher Firmen vor Augen, gibt sich auch der Vertreter des Großhandelshauses optimistisch. „Die Bundesrepublik ist zwar eine starke Wirtschaftsmacht. Aber es gibt einige Zweige, wo Japaner besser sein können als Ihre Firmen in der Bundesrepublik.“
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