Ba-Wü unterstützt bayerische §-218-Klage

Die Späth-Regierung mischt mit einem „Beteiligungsverfahren“ mit / Das Bundesverfassungsgericht soll den Mißbrauch der sozialen Indikation ausschließen / In der Frage der Krankenkassenfinanzierung will sich Baden-Württemberg allerdings nicht den Bayern anschließen  ■  Von Erwin Single

Stuttgart (taz) - Am Montag abend in der Kabinettssitzung fiel die Entscheidung: Die baden-württembergische Landesregierung unterstützt die von Bayern beim Bundesverfassungsgericht eingereichte Normenkontrollklage gegen den Paragraphen 218, wird aber kein eigenständiges Verfahren in Karlsruhe anstreben. Das Land wird in einem „Beteiligungsverfahren“ eine schriftliche Erklärung und mündliche Stellungnahmen abgeben. Ministerpräsident Späth bekräftigte gestern, daß er darin jedoch „keinen qualitativen Unterschied“ zu einem „formaljuristischen Beitritt“ zur bayerischen Klage sehe. Eine juristische Prüfung hatte ergeben, daß ein solcher Beitritt nicht möglich ist.

Das Land wolle verhindern, daß durch unzureichende gesetzliche Vorschriften und eine dadurch verfassungswidrige Beratungspraxis die soziale Indikation immer mehr zur Ersatzfristenlösung werde, begründete Späth den Schritt. Die Beratungspraxis müsse sich bundesweit wieder daran orientieren, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem grundlegenden Urteil zur Fristenlösung für die soziale Indikation eine ähnlich schwere Notlage wie bei der medizinischen Indikation verlange. Wenn dieses Ziel erreicht sei, könne auch die Krankenkassenfinanzierung von Abtreibungen akzeptiert werden, sagte Späth. Die Landesregierung will sich in diesem Punkt allerdings nicht der bayerischen Klage anschließen.

Bereits vor einer Woche hatte Regierungssprecher Zach erklärt, bei Hundertausenden von Abtreibungen komme die jetzige Praxis einer Fristenlösung gleich. Die Landesregierung war in Sachen Paragraph 218 unter Druck der CDU-Basis geraten. So hatte etwa der Landesverband der „Christdemokraten für das Leben“ (CDL) die Landesregierung noch einmal nachdrücklich aufgefordert, im Sinne einer „Politik zum Schutz des Lebensrechts ungeborener Kinder“ der bayerischen Klage „beizutreten“.

In der Frage des Abtreibungsparagraphen ist die baden -württembergische CDU seit langem gespalten. Wie die bayerische CSU zweifelt ein großer Kreis von 218-Hardlinern in der Schwesterpartei im Südwesten die Verfassungsmäßigkeit dieses Paragraphen nach wie vor grundsätzlich an. Auf ihrem Landesparteitag Ende September 1989 in Heilbronn hatte sich die Gruppe von strengen AbtreibungsgegnerInnen aus Südbaden und Ravensburg mit einer Beschlußfassung durchgesetzt, nach der die Initiative der bayerischen Staatsregierung grundsätzlich begrüßt wurde. Die Forderung, die Landesregierung solle sich einer Normenkontollklage Bayerns anschließen, wurde zurückgestellt, nachdem Ministerpräsident Lothar Späth signalisiert hatte, daß die Regierung einen solchen Schritt in Erwägung ziehe. Ein Hintertürchen gegen die Parteitagsmehrheit blieb jedoch offen: Man wolle allerdings erst das von Bayern in Auftrag gegebene Rechtsgutachten abwarten und die juristischen Konsequenzen bedenken. Der Haltung der eher liberalen BefürworterInnen der geltenden Regelungen, die die Probleme durch eine derartige Pauschallösung nicht gelöst sehen und für die insbesondere Ministerin Barbara Schäfer und die CDU -Bundestagsabgeordnete Renate Hellwig stehen, schlug derbe Kritik der Parteibasis entgegen.