: Keine sterilen Spritzen im Knast
■ Landtag bügelt Aids-Prävention für Drogenabhängige im Strafvollzug ab
Die Bürgerschaft lehnte gestern mit den Stimmen von SPD und CDU einen Antrag der Grünen ab, drogenabhängige Strafgefangene mit Einwegspritzen zu versorgen. Die FDP enthielt sich der Stimme.
Die Grünen hatten ihren Antrag als einen Beitrag zur AIDS -Vorsorge im Strafvollzug verstanden. Die Spritzenvergabe „draußen“ sei in Bremen eine anerkannte Maßnahme zur Eindämmung möglicher HIV-Infektionen geworden, argumentierte Carola Schumann für die Grünen. „Um drogenabhängigen InsassInnen dieselben gesundheitlichen Schutzmaßnahmen wie den Drogenabhängigen in Freiheit zu
gewähren. müssen ihnen bei Bedarf Einwegspritzen zur Verfügung gestellt werden“.
Die SPD-Abgeordnete Barbara Noack hielt den Antrag für medizinisch wünschenswert, doch ihr Fraktionskollege Horst Isola machte die gesundheitspolitische Einsicht juristisch zunichte. Die Ausgabe von sterilen Spritzen an Gefangene gebe es in keinem Knast der Welt, sie unterminiere die Kontrolle über den Drogengebrauch und Wirke „kontraproduktiv“. Die Angst des Genossen: Bei Abgabe der Spritzen tanzten die Junkies auf dem Knasttisch.
Für den CDU-Abgeordneten Peter-Michael Pawlik stellte der
Antrag eine Aufforderung zur strafbaren Handlung nach dem Betäubungsmittelgesetz dar. „Der Staat kann doch nicht seine Bediensteten auffordern, Dinge zu tun, die in der Öffentlichkeit strafbar sind“, entrüstete sich der Christdemokrat und verwies zusätzlich auf ein Rechtsgutachten des Bremer Generalstaatsanwaltes. Ein entsprechendes Gesetz wäre die „faktische Legalisierung des Drogenkonsums“.
Der Antrag der Grünen beruht auf der einfachen Tatsache, daß die Hauptquelle für HIV-Infektionen bei Strafgefangenen der gemeinsame Nadelgebrauch ist. Die Infektion im Knast ist einer der entscheidenden Multiplikato
ren der Infizierungsrate. Nach einer offiziellen Schätzung sind fünfunddreißig Prozent aller Drogenkonsumenten im Knast infiziert, daß entspricht drei Prozent aller Gefangenen in bundesdeutschen Gefängnissen (etwa 1.500 Menschen). Den Rückzug auf juristische Argumente bei der Ablehnung des Antrags ließen die Grünen nicht gelten: „Man muß es wollen. Und wenn man es nicht will, sollte man ehrlich sagen, daß der Infektionsschutz der Insassen geringer zu gewichten ist als der Ärger, den man sich mit solch einem Programm zuzieht,“ erklärte die Abgeordnete Carola Schumann. ma
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