: Alliierte werden in Berlin noch länger bleiben
■ Die Ablösung des Viermächte-Status wird ein schwieriger Prozeß werden / Ein Hintergrundbericht zur Lage
Alliierte Farben werden selbst in einem geeinten Deutschland noch auf absehbare Zeit zum Berliner Stadtbild gehören. Ein genereller Rückzug der Westmächte ist nach dem Stand der Diskussion in Berlin solange weder im Interesse der Deutschen noch der Alliierten wie sowjetische Truppen auf dem Gebiet der heutigen DDR stationiert bleiben.
Moskau dürfte über Mitsprache in Berlin eine Verlangsamung des deutschen Einigungstempos anstreben. Wie die sowjetische Politik heute ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in der Viermächte-Stadt versteht, wird daher mit Spannung erwartet. Die alliierte Position in Gesprächen über Form und Zeitpunkt der Aufhebung des Berlin-Status wird davon wesentlich mitbestimmt werden.
Seit Jahrzehnten beruht das Leben in West-Berlin auf dem Paradoxon, daß zum Schutz der Freiheit und der demokratischen Rechte ein aus der Besetzung der Stadt hergeleiteter juristischer Rahmen aufrecht erhalten werden muß. Er hält prinzipiell an der Oberhoheit der Allierten fest, auch wenn diese in der Praxis längst auf wenige politische Felder beschränkt wurde.
Die Lage ist mithin eindeutiger als bei den Siegerrechten bezüglich Deutschland als Ganzes. Die letzteren wurden nie klar umrissen, wenn auch unter Experten klar ist, daß die Vier trotz aller vertraglichen Absprachen mit der Bundesrepublik und der DDR „ein bestimmtes Spektrum an Kontroll- und Gestaltungsrechten“ behalten haben.
Für ihre Berliner Sektoren haben die USA, Frankreich und Großbritannien die deutschen Kompetenzen in der „Erklärung über Berlin“ aus dem Jahre 1955 festgelegt. Sie behielten Vorbehaltsrechte nur bezüglich Status, Luftverkehr und Sicherheit. Daraus leiten sich allerdings Kontroll- und Vetorechte ab, die die West-Berliner Senate nicht immer geschätzt haben.
Die UdSSR wiederum behauptet seit langem, Ost-Berlin gehöre voll zur souveränen DDR. Moskau zog seinen Stadtkommandanten ab und ließ im entmilitarisierten Berlin demonstrativ die militärische Präsenz der DDR zu.
Da die Ablösung des Berlin-Status zu den kompliziertesten Aufgaben der Einigung gehört, wirft natürlich auch eine bis dahin dauernde Übergangsphase im Innenverhältnis der Westalliierten zum Senat Rechtsprobleme auf. Die deutsche Politik möchte, daß ihre Präsenz bald auf militärische Sicherheitsaspekte reduziert und die alliierte Gesetzgebung, zu der auch Festlegungen der Vier Mächte aus der Nachkriegszeit gehören, aufgehoben wird. Es bestehen Zweifel, ob dies möglich ist, ohne den Kern des Berlin -Status anzutasten.
Auf ihre Oberhoheit können die Westmächte nicht einfach verzichten. Unbeschadet ihrer Unterschiede in den Rechtspositionen haben alle vier im Viermächte-Abkommen von 1971 übereingestimmt, daß die „bestehende Lage in dem betreffenden Gebiet“ nicht einseitig verändert werden soll und Rechte und Vereinbarungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit vom Abkommen nicht berührt werden.
Claus Höcker, dpa
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