: Schweden: Flüchtlinge abgeschoben
Asylbewerber, die über Polen einreisen, werden seit Mittwoch dorthin zurückgeschickt Katastrophale Situation im Hafen von Swinoujscie: Tausende sitzen ohne Versorgung fest ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff
Schweden hat die Schraube seiner Asylpolitik weiter zugezogen. Seit Mittwoch abend werden Flüchtlinge, die mit den Fähren aus Polen einreisen, ohne Prüfung der Asylgründe sofort wieder dorthin zurückgeschickt. Diese „Direktabweisung“, wie die Maßnahme im Juristenschwedisch heißt, wurde eingeführt, nachdem innerhalb einer Woche etwa 1.000 Asylsuchende den Fluchtweg über Polen nach Schweden gewählt hatten.
Man habe, so die Begründung von Staatssekretär Göransson vom Einwanderministerium, „Informationen erhalten, daß es sich bei dieser Flüchtlingswelle um organisierten Menschenschmuggel handelt, an dem einige Leute viel Geld verdienen“. Beweise für diese Behauptung wollte er der Presse nicht vorlegen. Die „Direktabweisung“ nach Polen wurde durch einen juristischen Trick möglich: Polen, das nicht einmal die UN-Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat, wurde von den schwedischen Behörden von einer Stunde auf die andere zum „sicheren Asylland“ hochgestuft. Nur in solche „sicheren“ Länder dürfen nach der UN-Konvention Asylsuchende ohne nähere Prüfung ihrer Asylgründe zurückgeschickt werden. Begründung: Sie seien auch in diesem „Erstasylland“ vor Verfolgung sicher.
Nach Meinung von Flüchtlingshilfsorganisationen hat Polen in letzter Zeit durch die Art der Behandlung von Flürchtlingen gezeigt, daß es nicht bereit oder in der Lage ist, Flüchtlingen tatsächlich Asyl zu gewähren. Ein Flüchtling aus Eritrea am Kai des südschwedischen Ystad, von Journalisten mit der Aussicht konfrontiert, mit der nächsten Fähre nach Polen zurückgeschickt zu werden: „Dann kann ich gleich in den Bürgerkrieg nach Eritrea zurück. Die Situation in Polen ist katastrophal, wir haben keinerlei Hilfe, nicht einmal Essen bekommen.“
Nach Auskunft von Reisenden drängen sich seit Tagen jeden Abend Hunderte von Flüchtlingen vor allem aus dem Libanon, sowie aus Eritrea und anderen afrikanischen Ländern, am Hafen von Swinoujscie (Swinemünde) und versuchen einen Platz auf der Fähre nach Ystad zu ergattern. Viele sollen bereits seit Tagen dort lagern, ohne von den polnischen Behörden irgendeine Hilfe zu erhalten. Ein Flüchtling berichtete in Ystad: „Sie schlafen auf Straßen und in Bahnhöfen, Frauen und Kinder, ganze Familien. Die meisten haben überhaupt kein Geld. Sie hungern und frieren.“ Lars Bergh von der Ausländerpolizei in Ystad: „Ein gefälschtes schwedisches Visum kostet zwischen 3.000 und 5.000 Kronen (1.000 bis 1.500 DM). Ein schnelles Geld für die Fälscher, und wir haben den Eindruck, die polnischen Behörden schauen absichtlich weg. Dann ist das Problem für sie ja auch gelöst.“ Die Katastrophenmeldungen aus Swinoujscie haben am Mittwoch das schwedische Rote Kreuz veranlaßt, eine Delegation dorthin zu schicken, um über Hilfsmaßnahmen zu entscheiden.
Erst letzten Dezember hatte die schwedische Regierung eine empfindliche Einschränkung des Asylrechts beschlossen, nachdem es angeblich organisatorisch nicht mehr zu bewältigen war, mit einer steigenden Zahl von Asylsuchenden
-jährlich etwa 20.000 - fertigzuwerden. KritikerInnen werfen der Regierung vor, sich auch bei ihrer jüngsten Maßnahme ausschließlich von praktischen Gesichtspunkten, nämlich den in Polen auf eine Einreise wartenden Menschen, habe leiten lassen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen