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„Da müssen wir nacharbeiten“

Gerhard Schröder, SPD-Spitzenkandidat in Niedersachsen, über die Folgen der DDR-Wahl  ■ I N T E R V I E W

taz: Rita Süssmuth, die populärste bundesdeutsche Politikerin, zieht es nach Hannover. Dann folgt die schwere Niederlage der DDR-SPD. Glaubt Gerhard Schröder da noch ernsthaft an einen SPD-Sieg am 13.Mai in Niedersachsen?

Gerhard Schröder: Ich gehe immer noch davon aus, daß wir gewinnen werden. Die DDR-Wahl und deren Ausgang hat mit der Situation in Niedersachsen nichts zu tun. Am gleichen Sonntag, als die DDR-Wahl war, hat die SPD in Bayern bei den Kommunalwahlen kräftig zugelegt. Das wird auch in Niedersachsen so sein.

Den Wahlkampfslogan, „Die neue Zeit hat einen Namen Soziale Demokratie“, muß die niedersächsische SPD nach der Kohl-Wahl in der DDR nun ändern.

Soziale Gerechtigkeit bei der Gestaltung von Einheit nicht hinten anzustellen, ist nach wie vor das aktuelle Thema. Ich sehe überhaupt nicht, was wir für unseren Wahlkampf in Niedersachsen umzustellen hätten.

Also sehen Sie überhaupt keine Auswirkungen des DDR -Wahlergebnisses auf die Niedersachsenwahl?

Sehe ich doch. Ich könnte mir vorstellen, daß manch einer in meiner Partei dem Fehlschluß erliegt, das Ergebnis in der DDR habe materielle Auswirkungen auf die Situation in Niedersachsen. Insofern hat das DDR-Ergebnis Wirkungen auf die Mobilisierungsfähigkeit und -bereitschaft der eigenen Partei. Da werden wir nacharbeiten müssen und werden insbesondere hinweisen müssen auf den doch sehr signifikanten Unterschied zwischen dem Abschneiden der DDR -SPD und der bayrischen. Dieser Unterschied wird auch bei den Kommunalwahlen am Sonntag in Schleswig-Holstein deutlich werden.

Nach Auffassung von Oskar Lafontaine muß Kohl für seine Versprechungen im DDR-Wahlkampf die Rechnungen sowohl in der BRD als auch in der DDR noch präsentieren. Doch vor der Niedersachsenwahl werden diese Rechnungen wohl nicht mehr kommen.

Die CDU wird wohl versuchen, den Bürgern die Folgen ihrer Politik bis zum 13. Mai zu verschweigen. Das werden wir nicht zulassen. Die Union muß sagen, wie sie die Wahlversprechen von Kohl finanzieren will. Da sie an den Verteidigungshaushalt nicht 'ranwill, da sie offenkundig die Unternehmenssteuern weiter senken will, gibt es für die Union nur die Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger zu belasten - oder die vollmundig gegebenen Wahlversprechen zu brechen. Auf diesen Widerspruch werden wir in den nächsten sieben Wochen gehörig hinweisen.

Wie soll das denn nun konkret geschehen?

Das geschieht konkret, indem man mal vorrechnet, was denn die Versprechungen kosten. Zum Beispiel wird eine Währungsunion, die Kohl ja möglichst früh in diesem Jahr herstellen will, mit einiger Sicherheit zu Massenarbeitslosigkeit in der DDR führen. Angesichts der Tatsache, daß es dort noch keine Arbeitslosenversicherung gibt, wird es sehr viele DDR-Bürger geben, die ihr individuelles Arbeitslosenproblem in der Bundesrepublik lösen. Dafür ist dann Kohl verantwortlich. Das wird man auch im Wahlkampf deutlich machen.

Jürgen Voges

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