: Machismo und Revolution
■ Frauen(theater) in Nicaragua - ein Film der Bremerin Beate Neuhaus heute in N3
1984 ist die Videofilmerin Beate Neuhaus mit ihrer Familie von Bremen nach Nicaragua gegangen. Ein Jahr hat sie als Videoberaterin im Landwirtschaftsministerium die Landreform dokumentiert. Ohne das vorgesehene DEED-Geld, denn der erste
CDU-Entwicklungsminister hatte das Projekt gestrichen. Nach dem ersten Jahr hat sie auf eigene Idee hin, oft im Rahmen von Städtepartnerschaften beauftragt, gefilmt. Der einstündige CIHUATLAMPA ist ihr erster freier, ohne Auftraggeber ge
drehter Film.
Er, d.h. sie begleitet eine kleine Frauentheatergruppe durch Matagalpa, eine ländliche Region im Innern Nicaraguas. Eine Szene zum Behalten: Das Kameraauge fährt mit dem Theaterwagen durch grünes, grünes Land - zu den Klängen von Wiener Walzer. Zu den gleichen Klängen drehen sich zwei Spielerinnen in weißen Masken beim Tanze der Gewerkschaft der Landarbeiterinnen. Beate Neuhaus‘ Film verläßt sich auf die Mittel des Volkstheaters von CHIHUATLAMPA. Der verfremdende Wiener Walzer kommt nicht aus dem Off, sondern aus dem Theaterwagen.
Zu sehen: im Wechsel Frauenalltag am Waschbrett oder am Herd, Spielszenen, die ihn aufnehmen und formen mit Musik und Tänzen aus der Volkstradition, gespielt in weißen Masken. Dazwischen Berichte der Spielerinnen, wie sie mit dem Theaterspiel begannen, als ihre Männer im Krieg waren. Als die zurück kamen, gab es Krach, die Gruppe spaltete sich, CIHUATLAMPA spielte weiter. Machte den Machismus zum Thema, den, so kommentiert Beate Neuhaus an einer Stelle, der Krieg verdrängen, aber auch verstärken hilft: Miguel wird von einer Hure angemacht und angetanzt, was kann er dafür. Eine Frau will der Polizei melden, daß ihr Mann ihr Gewalt antut, die hört plötzlich weg. Eine der Spielerinnen fragt einen Mann im Publikum: „Schlagen Sie ihre Frau?“ „Täglich“, lacht der zurück und das Publikum ringsum kann sich kaum halten vor Lachen. Über den Tabu bruch? „Warum habt Ihr den Mistkerl nicht eingesperrt?“ fragt die Spielerin zurück.
Dazwischen eingeschnitten Szenen, in denen Frauen, Zuschauerinnen oder Spielerinnen, Auskunft geben, was sich geändert hat in den 10 Jahren seit der Revolution. Unterschiedliche Auskünfte. „Wer nicht arbeitet, kriegt nicht zu essen,“ sagt eine immer wieder. Nichts hat sich geändert, sagt eine andere, aber: Die Männer dürfen einen nicht mehr schlagen jetzt.
Der Film, 1989, natürlich vor der Wahl 1990 gedreht, kann sich nach ihr gut sehen lassen. Er schönt die Menschen nicht, er zeigt sie sehr schön.
Uta Stolle
Heute, 24.3. 19.30 Uhr NDR 3
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