: Mit Hurra-Geschrei ins Gefecht
■ Wehrpflichtiger weigerte sich zu singen und landete beim Psychiater
Nur zehn Wochen dauerte der Grundwehrdienst von Wolfgang Horstmann. Der Bundeswehr ist das recht, nur seinen jetzigen Status hatte sie sich anders vorgestellt. „Aus geistigen Gründen wehruntauglich“ wollte sie ihn sehen, so scheint es. Stattdessen ist der Ex-Jäger seit einer Woche anerkannter Kriegsdienstverweigerer. Den letzten Anstoß zur Verweigerung gab ein kriegsverherrlichendes Fallschirmjägerlied, das seine Kameraden und er zu lernen und zu singen hatten. Ein paar Zeilen zur Kostprobe:
„Grün ist unser Fallschirm, froh
das junge Herz, / stählern unsere Waffen, sind aus deutschem Erz / ... / Sind wir dann in Stellung, geht es endlich los, / rufen wir hurra, hurra, zum Gegenstoß.“
Der beim 3. Fallschirmjägerbataillon 272 in Wildeshausen stationierte Horstmann weigerte sich, das militaristische Lied zu singen. Gleichzeitig brachte er endlich den Mut auf, den Wehrdienst zu verweigern.
Nach einigen Ermahnungen und Arrestandrohungen bekam er eine Disziplinarstrafe von 200 Mark wegen Befehlsverweigerungt. Beschwerden von ihm und
seinem Anwalt wurden erst zurückgewiesen, die Strafe dann vorerst ausgesetzt. Die Zurückweisung der Beschwerde begründete Oberstleutnant Mettler damit, daß dieses Lied „weder den Krieg verherrlicht noch in irgendeiner anderen Weise unverantwortlich überzogen ist.„
Doch für Horstmann fingen die Probleme erst an. Auf Grund von Rückenschmerzen wurde er im Sanitätsbereich zwar vom normalen Wehrdienst verschont, untersuchen wollte die Bundeswehr aber anderes. „Mir wurden bei einer zivilen Ärztin die Gehirnströme gemessen und untersucht, ob die Koordination zwischen Gehirn und Körper noch funktioniert. Ich fühlte mich, als würde ich untersucht, um festzustellen, ob ich verrückt sei oder nicht.„
Die Psychiaterin weigerte sich aber, nachdem sie vom Anwalt über die Hintergründe informiert worden war, der Bundeswehr die Untersuchungsergebnisse auszuhändigen. Daraufhin wurde Soldat Horstmann in das Bundeswehrkrankenhaus nach Bad Zwischenahn geschickt. Offensichtlich war man dort engagiert, ihm eine geistige Unfähigkeitsbescheinigung zu verpassen. Erst die einsichtigen Ärzte beendeten das seltsame Spiel. Nach einem Gespräch schickten sie den völlig normalen Soldaten wegen seines Rückens „KzH“ (Krank zu Haus).
Achim Könneke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen