: 218: Beratung statt Überredung
■ Neue Info-Broschüre der Gleichstellungsstelle über Beratungsstellen für schwangere Frauen
In Bremen machen selbsternannte „Lebensschützer“ Stimmung und Plakate gegen Frauen, die abtreiben. Das liberale DDR -Verfahren bei Schwangerschafts-Abbrüchen wird, so darf befürchtet werden, unter der BRD-Politik-Walze möglicherweise erheblich eingeschränkt. Und der Freistaat Bayern klagt gerade gegen die Kostenübernahme der Krankenkassen bei der Abtreibung. „Der § 218 ist tatsächlich ein uraltes Thema, aber bis heute ziemlich brisant“, faßte Gleichstellungs-Chefin Ursula Kerstein gestern zusammen, warum die Zentralstelle (ZGF) wieder mal zum Thema Abtreibung tätig wird und das „Sonder-Info 11“ herausgibt. Inhalt: Namen, Adressen und kurzgefaßte Angebote der anerkannten Bremer „Beratungsstellen bei Schwangerschaftskonflik
ten“. Das Wörtchen „anerkannt“ ist wichtig: „In Bremen geben die 'Lebensschützer‘ der 'Gruppe Real‘ vor, Beratung zu machen, aber sie sind nach § 218 gar nicht anerkannt für Schwangeren-Konfliktberatung“, erklärte Brigitte Melinkat von der ZGF, und Brigitte Honnens von der Bremer 218-Gruppe ergänzte: „Dabei machen die da keine Beratung, sondern Überredung!“ Was als „Hilfe für alleinstehende Mütter“ ausgegeben werde, funktioniere in Wirklichkeit als politische Kampagne. Das fand auch Hanna Staud, Geschäftsführerin von Pro Familia Bremen: „Wer in Bussen und Bahnen mit kleinen Kinderfüßchen psychologisch gegen Abtreibung mobilisiert, ist wenig hilfreich für Schwangere.“
Mit dem neuen Info-Blatt, so Melinkat, können schwangere
Frauen, die Hilfe, Rat, Tips oder einfach nur den gesetztlich vorgeschriebenen Schein für die Indikation brauchen, „die Beratungsstellen, die seriös arbeiten, von den anderen unterscheiden“. Je nach geografischer oder Herzensnähe können Frauen sich an Pro Familia oder ans Hauptgesundheitsamt wenden, ans diakonische Werk, an die evangelische oder katholische Beratung, an die Caritas. Vertreterinnen aller Organisationen betonten gestern: „Wir geben keine Ratschläge, sondern wir helfen den Frauen, das für sie Richtige herauszufinden.“
Die Lage ist in den vergangenen Jahren für schwangere Frauen nicht besser, sondern immer schwieriger geworden, erklärten die Vertreterinnen der Beratungsstellen. „Ein Drittel aller
Mütter bringt das Kind unter schwierigsten sozialen und finanziellen Verhältnissen zur Welt, das ist eine enorm hohe Zahl“, so Margarete Schulz von der evangelischen Familienberatung. Und Inge Dotschkis vom Diakonischen Werk ergänzte: „Wir haben außerdem seit der Gesetzesänderung von '89 ein Zweiklassen-System. Asylbewerberinnen und viele Ausländerinnen haben kein Recht mehr auf Kinder-oder Erziehungsgeld.“
Daß mehr Geld dringend erforderlich ist, Geld aber keine Entscheidungshilfe für Schwangere ist, erklärte Hanna Staud aus langjähriger Praxis; Pro Familia war bundesweit die erste und jahrelang einzige Einrichtung, die ambulant Abbrüche vornahm. Die Folge: Noch heute pilgern Frauen aus Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg zu Pro Familia in Bremen, wo ihnen kein schlechtes Gewissen gemacht wird, wenn sie sich für den Abbruch entscheiden. „Es ist völliger Unsinn zu glauben, daß Frauen für tausend Mark mehr ein Kind austragen“, wandte sich Staud gegen CDU-Vorstellungen, mit mehr „Starthilfe“ für werdende Mütter könnte die Abtreibungsrate gesenkt werden. S.P
Das „Sonder-Info 11“ kann in der Gleichstellungsstelle, Schmidtstr. 9, abgeholt werden.
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