: Besetzt-Zeitung Oldenburg
■ Nord-West-Zeitung fünf Stunden nicht im Bilde
An Ortskenntnis mangelte es den drei ungebetenen Gästen nicht, die gestern morgen kurz vor zehn das Gebäude der Nord -West-Zeitung (NWZ) in Oldenburg betraten und schnurstracks in höhere Stockwerke entschwanden. Ihr Ziel: die Besetzung der Nachrichtenzentrale, des Lebensnervs einer jeden Zeitung. Die einzige Angestellte, die zwischen Agenturtickern und Bildmaterial ihren Dienst versah, schickten sie mit einem Stapel Flugblätter in die Redaktion und verbarrikadierten sich dann für fünf Stunden zwischen Kopierer und Bildschirmen.
Ziel der Aktion war nicht etwa der geballte Unmut über die in Oldenburg oft gerügte Lokalberichterstattung der NWZ, sondern die erklärte Solidarität mit dem Hungerstreik spanischer Gefangener. Seit Dezember verweigern Mitglieder von zwei politischen Organisationen die Nahrungsaufnahme, um eine Zusammenlegung zu erreichen. Mehrere der Streikenden liegen bereits im Koma und schweben in Lebensgefahr. Warum allerdings die NWZ gestern als Objekt der Besetzung für diese offensichtlich nur in Oldenburg durchgeführte Aktion ausgesucht wurde, war nicht zu erfahren. Die drei BesetzerInnen waren laut NWZ-Chef
redakteur Bodo Schulte auch ohne konkrete Forderungen erschienen. „Sie haben nur“, so der Hausherr, „damit gedroht, alle Geräte zu zerstören, wenn die Polizei eingreifen würde.“ Dazu kam es dann nicht, vielleicht weil der in „Sekundenschnelle“ durchgeführte Zugriff des eigens beorderten Sondereinsatzkommandos aus Hannover nach fünf Stunden Ausharren doch zu überraschend war. Die BesetzerInnen wurden festgenommen und ihre Wohnungen durchsucht.
Den entstandenen Schaden (herausgerissene Kabel, alle angekommenen Bilder flatterten als Schnipsel aus dem Fenster) schätzt Schulte auf 50.000 Mark. Die NWZ, die heute in gewohnter Manier erscheint, wird die Berichterstattung über die aufregenden Stunden allerdings unterlassen. Und auch die Deutsche Presseagentur, deren Zwölf-Uhr-Nachrichten in Oldenburg nicht empfangen werden konnten, revanchierte sich mit Nichtbeachtung. Chefredakteur Schulte („Wir sind früher schon mal besetzt worden, aber da sind die meistens nach 10 Minuten ganz ordentlich wieder weggegangen“) nannte auch den Grund: „Ich habe den ganzen Sinn der Sache nicht verstanden.
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anh
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