: Cristiani verbietet Wallfahrt zu Romeros Grab
Am Samstag ist der zehnte Jahrestag der Ermordung des salvadorianischen Bischofs und Menschenrechtsverfechters Oscar Arnulfo Romero / Dank der Vermittlungen der Vereinten Nationen lehnt die Regierung Verhandlungen mit der Guerilla nicht mehr grundsätzlich ab ■ Aus San Salvador Ralf Leonhard
Die Volkskirche von El Salvador veehrt ihn längt als Heiligen. Oscar Arnulfo Romero gilt als Märtyrer für die Sache der Armen. Anläßlich des 10.Jahrstages seiner Ermordung will sein Nachfolger, Erzbischof Arturo Rivera Damas, endlich formell ein Heiligsprechungsverfahren einleiten, ein langwieriger Prozeß im Vatikan, der 30 Jahre dauern kann. Der Mord, der von einem Scharfschützen während der Messe verübt wurde, ist bis heute ungesühnt. Alle Indizien deuten darauf hin, daß der Ex-Geheimdienstoffizier Roberto d'Aubuisson, der starke Mann der regierenden Arena -Partei, den Auftrag gegeben hatte, den unbequemen Kirchenmann aus dem Weg zu räumen.
Dutzende von kirchlichen und politischen Organisationen, Oppositionsparteien und Delegationen aus allen Teilen des Kontinents werden am Samstag in einem Pilgerzug durch die Hauptstadt des ermordeten Bischofs gedenken, die Bestrafung der Verantwortlichen fordern und die Regierung aufrufen, den Krieg durch politische Verhandlungen zu beenden. Die jüngste Dialogrunde mit der Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) war im Oktober an der unnachgiebigen Haltung der Regierungsdelegation gescheitert. Daraufhin hatte die FMLN versucht, in einer Großoffensive einen Volksaufstand auszulösen oder zumindest ihre Verhandlungsposition zu stärken. Die Rechnung ging nicht auf, statt dessen setzte sich die Armee mit rücksichtslosen Bombardements der Zivilbevölkerung durch, und die Regierung lehnte jegliches Verhandeln mit der Guerilla ab.
Dank der Vermittlung der Vereinten Nationen gibt es jedoch seit kurzem wieder Hoffnung: Ein Dialog dürfte in den nächsten Wochen bevorstehen. Am Mittwoch hat nämlich die Regierung angekündigt, sie würde auf alle Vorbedingungen verzichten, also nicht mehr verlangen, daß die Guerilla vor dem Treffen in eine Waffenruhe einwilligt. Das FMLN -Oberkommando seinerseits hat letzte Woche die Sabotage gegen Wirtschaftsobjekte eingestellt. Beide Gesten guten Willens sind Ergebnis der Vermittlungstätigkeit von Alvaro de Soto, dem persönlichen Stellvertreter des Uno -Generalsekretärs. Javier Perez de Cuellar will erstmals selbst als Zeuge an den Verhandlungen teilnehmen. „Damit zwingt er beide Seiten zur Ernsthaftigkeit“, hofft Ruben Zamora, der Chef der linken MPSC (Christlich-soziale Volksbewegung). Die FMLN hat längst auf alle Forderungen revolutionärer Umwälzungen verzichtet und verlangt jetzt lediglich die Reform des korrupten Justizsystems und die Entfernung einer Reihe von schwer belasteten Offiziere aus der Armee. Letzten Endes sind die Aufständischen bereit, sich in eine politische Partei zu verwandeln und an den Wahlen teilzunehmen. Die Chancen, daß eine Vereinigte Opposition bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr die absolute Mehrheit von Arena in der Nationalversammlung brechen könnte, stehen gut.
Ein Jahr nach seinem Wahlsieg sieht sich Präsident Cristiani einer so breiten politischen Front gegenüber wie kein salvadorianischer Staatschef vor ihm. Obwohl, wie selbst Militärs zugeben, längst kein militärischer Grund mehr für die Aufrechterhaltung des Ausnahmezustands besteht, läßt Cristiani das Kriegsrecht Monat für Monat verlängern. „Aus Furcht vor Massendemonstrationen“, meint Miguel Angel Alvarenga vom Gewerkschaftsbund Fenastras. Die jüngsten Preiserhebungen und Massenentlassungen haben das Volk aufgebracht. Am Mittwoch trat eine Gruppe von Arbeitern des Landwirtschaftsministeriums in einer Kirche im Zentrum in Hungerstreik. 1.500 Arbeiter waren über Nacht und ohne Erklärung auf die Straße gesetzt worden. „Wenn sie uns schon rauswerfen, sollen sie wenigstens zahlen, was uns zusteht“, klagt Hugo Martinez, der Generalsekretär der zuständigen Gewerkschaft. Insgesamt sind in den letzten Monaten über 4.500 Arbeiter und Angestellte aus Ministerien und halbstaatlichen Organisationen entlassen worden. Viele sollen durch Arena-Anhänger ersetzt worden sein. Öffentliche Proteste größeren Ausmaßes hat es seit der Verhängung des Kriegsrechtes im November nicht mehr gegeben. Auch für den Pilgerzug am Samstag haben die Militärs die Ausnahmegenehmigung verweigert. Der Marsch wird also illegal stattfinden. Aus der religiösen Wallfahrt zur Gruft Romeros in der Kathedrale in San Salvador könnte eine politische Kraftprobe werden.
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