: „Dies Zurückziehen auf Deutsche Identität macht mir Angst“
■ Heute beginnt die Frauenwoche: Gespräch mit den Organisatorinnen Lale Direkoglu und Silke Ahrens / Rassimus und die Suche nach deutscher Identität
taz: Wie habt Ihr das Thema der Frauenwoche gefunden und eingegrenzt?
Silke Ahrens: Beim Nachbereitungstreffen zur letzten Frauenwoche ging es erstmal um 1. und sogenannte 3. Welt. Zunächst konnten wir nicht soviel damit anfangen, weil das ein sehr allgemeiner Problemkreis ist. Dann nahmen wir Lale als neue Frau in die Vorbereitungsgruppe auf, und dann hatten wir's gleich im Büro. Sie ist Deutsche und Türkin, da kam dies Fremdheitsthema dazu. Wir konnten uns dann einigen auf Rassismus/Sexismus.
taz: Bei diesen Ismen geht es weniger um Erfahrungen als um Prinzipien. Der Titel schränkt mich ein auf meine rassistischen Teile. Nun gehe ich erstmal davon aus, daß ich weder rassistisch noch sexistisch bin und gehe auch nicht zu diesen Veranstaltungen, damit mir das jemand beibiegt.
Direkoglu: (kichert) Dann ist es ja gut!
taz: Für Euch nicht, wenn Ihr da allein sitzt.
Ahrens: Die 120 Frauen, die im November auf der Tagung „Frauen und Rassismus“ in Bremen gewesen sind, haben das in ihre Städte getragen, und da sind Gruppen enstanden, die arbeiten an dem Thema, und wir haben den Eindruck: Es wird voll. Es scheint etwas da zu sein auch mit dieser Umwälzung mit und um und in uns - Stichwort Wiedervereinigung - da paßt was zusammen.
taz: Was paßt da zusammen?
Ahrens: Z.B. mal so ein Gedanke: Ich will eigentlich gar nicht, daß hier am Tag 2000 DDRler einreisen. Für mich ist das so: Die DDR ist ein Staat, die BRD ist ein Staat, Wiedervereinigung, was soll da wiedervereinigt werden?
taz: Die DDRler lehnt man doch eher ab, weil sie gerade nicht aus der Dritten Welt kommen. Das hat mit dem ursprünglichen Thema, wo es um 1. und 3. Welt gehen sollte, gar nicht mehr viel zu tun.
Dirikoglu: Es hat damit sehr wohl zu tun. Wenn Du anfängst, die Ostdeutschen hierher zu holen, dann kommen in der Hierarchie erst die ganzen Aus- und Übersiedler, und dann kommen die Ausländer und die Flüchtlinge. Die werden auf der Skala immer weiter nach unten geschoben. Ausländerprojekte, wo es um Mädchenarbeit geht, werden schon gestrichen. Damit wird ein Kongreß in Leipzig organisiert.
taz: Aber ist das Rassismus, ist das Sexismus?
Direkoglu: Mir ging es nach dem Mauerbau... - ich nenn's fast immer Mauerbau - also nach dem Mauerabbau, ging es mir ziemlich dreckig, weil ich gemerkt habe, daß viele Leute, die bis dahin mit Ausländerfeindlichkeit politisch oder sozial umgingen, plötzlich ganz wild drauf waren, ihre deutsche Identität zu erlernen. Diese ganzen Linken, die sich engagiert haben für Türkei, Kurdistan oder Südamerika, wurden plötzlich immer deutscher. Und dieser ganze verquere Begriff von Rasse, den Deutsche haben, kommt hoch. Das ist für mich unheimlich, denn ich bin deutsch-türkisch. Mein Platz war das Dazwischen. Und dieses Dazwischen konnte ich mit Leuten leben, die sich auch irgendwie in dieses Dazwischen begeben haben. Und das Zurückziehen auf das Deutschsein macht mir Angst. Und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich jetzt überlegt, zurück in die Türkei zu gehen. Das ist für mich Rassismus. Dieser Begriff ist nicht mehr das, worum es geht heutzutage, aber er symbolisiert das. Wenn es den Begriff schon gäbe, würde ich es Kulturismus nennen, also worum es mir eigentlich geht: Menschen in bestimmten Kulturbegriffen zusammenzufassen, zu sagen, die eine kommt doch aus der türkischen Kultur, also hat sie Islam und feste Familienstrukturen und türkische Musik und Bauchtanz. Und die andere kommt von der deutschen Kultur. Sie ißt Schweinefleisch, ist blond und sonst noch irgendwas. Das sind die Kulturbegriffe, wonach Menschen eingeteilt werden.
taz: Noch ein Kritikpunkt. Das Rassismus/Sexismus-Thema interessiert sich für die Ausländerinnen nur als Opfer, als diskriminiert. Die Neugier, die wechselseitigen Phantasien sind dabei nicht Thema.
Direkoglu:(...) Die Neugier, die Du Dir wünschst, das ist nicht mehr. Meistens gibt es die Vorstellung: Das ist eine Ausländerin, also muß ich mich auf ihre Ebene runterbegeben. Deshalb fand ich es z.B. wichtig, daß Frauen aus der Türkei kommen, die sehr aktiv in der Frauenbewegung sind, die aber in vielen Sachen auch viel weiter sind, als die Frauenbewegung hier. Und es wäre wichtig, daß die deutsche Frauenbewegung mal mit denen diskutiert und nicht mit den Sozialfällen.
Fragen: Uta Stolle
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