: Kopflos angerannt und abgewehrt
Bei der ersten Heimniederlage des VfB vermißt Neu-Manager Hoeneß Spieler, die sich gegen Niederlagen stemmen Bestes Beispiel: Gaudino, der nach Löhrs Worten mit solcher Leistung in Italien nicht mal Platzwart wird ■ Aus Stuttgart Erwin Single
Eine Trotzreaktion nach dem katastrophalen Kick gegen Uerdingen hatte Stuttgarts Trainer Arie Haan von seiner VfB -Truppe verlangt. Und Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder drohte, die gezeigte „Einfallslosigkeit“ und das „an Arbeitsverweigerung grenzende Verhalten einiger Spieler“ nicht länger hinnehmen zu wollen.
Wenn nicht gegen Kaiserslautern, denen „das Wasser am Halse steht“, und dann noch zu Hause im Neckarstadion, in der „bislang uneinnehmbaren Burg“ (Mayer-Vorfelder), wo und wann dann sollte die Wende kommen? Doch denkste! Am Ende der wenig berauschenden Partie ließen die „Roten Teufel“ die VfB -Buben wie begossene Pudel auf dem Rasen stehen und nahmen beide Punkte mit. Futsch ist die stolze Heimbilanz (23:1 Punkte), und der VfB steht am Scheideweg.
„Noch sind wir Fünfter“, meinte Arie Haan nach dem Spiel mit Blick auf den für das Erreichen des UEFA-Cups so wichtigen Tabellenplatz. Der europäische Wettbewerb ist in Stuttgart bereits fest eingeplant; nicht zum Vergnügen hat der „Verein für Bewegungsspiele“ den früheren „Schwabenpfeil“ Dieter Hoeneß als „Direktor für Marketing und den sporttechnischen Bereich“ eingekauft und zudem den Daimler-Vorstandsprecher Matthias Kleinert ins Präsidium geholt.
Doch der Traum könnte schnell ausgeträumt sein, bei dem, was die Mannschaft derzeit zusammenkickt. In der Ferne spielen sie seit Wochen wie Angsthasen. Bilanz der letzten fünf Auswärtsspiele: 0:10 Punkte und 5:16 Tore. Trainer Haan kann es sich letztlich nur psychologisch erklären: Irgendwie „blockiert“ seien die Spieler; wie „mit Blei in den Füßen“ würde agiert.
Hoeneß kritisiert klarer: „Wir haben keine Leute, die sich bedingungslos gegen Niederlagen stemmen.“ Nun fängt das Zittern auch zu Hause an. Bereits nach drei Minuten verpaßten gleich vier Stuttgarter einen weiten Einwurf der Kaiserslauterner, und der Brasilianer Basualdo schaute zu, wie der von Haan verschmähte Ex-Stuttgarter Hotic den Ball ins Tor drosch. 87 Minuten versuchte der VfB dann, mit kollektiver Rackerei das Spiel noch zu wenden.
Der FCK konnte sich aus den zwar teilweise druckvollen, aber meist konfusen Angriffen oft nur mit Wegdreschen des Balles befreien. „Wenn die einen kopflos anrennen, muß man auch mal kopflos abwehren“, aber „so ganz schwer war das nicht“, meinte FCK-Tainer „Kalli“ Feldkamp.
Beim VfB fehlte mit Immel, Buchwald, Allgöwer, Sigurvinson, Schäfer und Hartmann gleich die halbe Stammbesetzung. Also wurden altbekannte Entschuldigungen für die Niederlage herbeizitiert: die Verletzten und das Pech. Haan haderte gar mit dem Schicksal: Ein „Fluch“ läge auf dem Spieltag, da keine einzige Heimmannschaft siegte. Seine gebeutelten Jungs taten ihm beinahe etwas leid: Die Grünschnäbel hätten es auf „jede Weise versucht“ und gekämpft.
Auch Fußballdirektor Hoeneß zeigte sich mit der von ihm geforderten „Einsatzbereitschaft“ der unerfahrenen Spieler zufrieden, vermißte aber die letzte Entschlossenheit. Eines hatten die Akteure nämlich vergessen: Der Ball muß ins Tor. Daß dies total mißlang, daran traf die Schuld diejenigen, die es besser können müßten. Aber die gelernten Stürmer Walter und vor allem Kastl stocherten und stolperten wie in der Amateurklasse nach der Lederkugel. Und das so hochgelobte Mittelfeld mit den Schönwetter-Fußballern Bausaldo und Gaudino vertändelten Chance um Chance mit ihrem selbstverliebten Gefummel.
Gaudino, diesmal Ersatz-Mannschaftskapitän, zuckte meist mit den Schultern, wenn Arie Haan sich am Spielfeldrand erbost die Haare raufte. Seine Italien-Täume dürfte er sich wohl abschminkt haben; bereits nach dem Uerdingen-Spiel hatte DFB-Trainer Löhr bemerkt, mit so einem Spiel könne man dort nicht einmal Platzwart werden.
Nachdem auch die schwäbische Bodenständigkeit des VfB diesmal eine schwere Packung erhalten hat, geht nun das Spekulieren um die Auswärts-Schlappen wieder los. Nächsten Samstag muß der VfB im Olympiastadion gegen die Bayern antreten. „Ich stelle auswärts in Zukunft total um“, hat Haan angekündigt. Und notfalls helfen vielleicht doch die beschwörende Appelle der Verantwortlichen.
STUTTGART: Trautner - Jüptner - Strehmel, Frontzeck, Nils Schmäler - Poschner (46. Kurz), Rasmussen, Basualdo, Gaudino - Walter, Kastl
KAISERSLAUTERN: Ehrmann - Foda (82. Kranz) - Lutz, Dooley, Scherr - Lelle, Hotic (66. Stumpf), Schupp, Emig - Labbadia, Kuntz
TOR: 0:1 Hotic (3.)
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