: Fromme Gesänge, sanfte Parolen
Gewerkschafter und Oppositionsparteien El Salvadors kamen zum Jahrestag der Ermordung Erzbischof Romeros zu einer friedlichen Gedenkfeier zusammen ■ Ralf Leonhard aus San Salvador
Die Gedenkfeiern zum 10.Jahrestag der Ermordung von Erzbischof Romero trugen alle Anzeichen eines kirchlichen Großereignisses, waren aber gleichzeitig eine Demonstration für Frieden und Gerechtigkeit - Werte, für die Oscar Arnulfo Romero gekämpft und letzten Endes sein Leben gegeben hatte. Zehn Bischöfe waren aus Europa, den USA und Südamerika angereist, darunter der berühmte brasilianische Befreiungstheologe Ivo Lorscheider. Unter den Ehrengästen auch Pedro Casaldaliga, der Bischof von Sao Felix in Brasilien, der Romero auf seine Art heiliggesprochen hat: „Die lateinamerikanische Kirchengeschichte zerfällt in zwei Teile: vor und nach Romero.“ Selbst Papst Johannes Paul II., gewiß kein Anhänger der Volkskirche, sandte eine Grußbotschaft an Erzbischof Arturo Rivera Damas und rief zum Dialog und zur Versöhnung auf. Für die Gewerkschaften und Volksorganisationen, die für mehr als vier Monate Ausnahmezustand nicht auf die Straße durften, war der Pilgerzug zur Kathedrale ein Gradmesser für die Toleranz des Regimes.
Der Pilgerzug war vom Permanenten Komitee für den Nationalen Dialog organisiert worden, dem fast alle kirchlichen und sozialen Gruppen des Landes angehören. Dank des religiösen Charakters der Veranstaltung hatte die Regierung im letzten Moment die Sondererlaubnis erteilt, „da die Forderungen nach Frieden und Versöhnung sich mit den Bemühungen dieser Regierung decken“. Deswegen war kein Uniformierter zu sehen, als mehrere tausend „Pilger“ zur Gedenkmesse an der Gruft des Ermordeten in der Kathedrale marschierten. Die Demonstranten ihrerseits beschränkten sich auf fromme Gesänge und sanfte Parolen, um die mutmaßlichen Mörder des Volksheiligen in der regierenden Arena-Partei nicht zu provozieren.
Die Oppositionsparteien von der kommunistischen UDN bis zu den Christdemokraten waren mit führenden Persönlichkeiten vertreten, die Gewerkschaften fehlten genauso wenig wie die Basisorganisationen und ausländische Besucher wie die Schweizer Solidarität in Gestalt einer Gewerkschaftsdelegation oder Kirchengruppen aus den USA, die ein Romero-Zitat auf ihr Transparent gemalt hatten: „Im Namen Gottes bitte ich, flehe ich, befehle ich euch: Stoppt die Repression.“
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