: Massengrab mit NKWD-Opfern
■ Ost-'Berliner Zeitung‘ berichtet von Brandenburger Lager, wo der sowjetische Geheimdienst mehrere tausend Tote verscharrte / Nazi-Funktionäre und auch Jugendliche waren inhaftiert
Berlin (dpa) - Wie die Ost-'Berliner Zeitung‘ erst am Samstag berichtete, wurde der grausige Fund bereits am 13.März nach Hinweisen des einstigen Revierförsters und eines alten Bauern gemacht.
Die damalige sowjetische Staatssicherheitsbehörde NKWD hat in dem Massengrab mehrere tausend Tote aus dem im April 1945 für das Land Mecklenburg-Vorpommern eingerichtete Internierungslager Fünfeichen verscharrt, berichtete Dieter Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Historischen Museum Neubrandenburg. „Der Wald ist ein Totenwald.“ Schätzungen gehen davon aus, daß in dem Lager 12.000 Menschen interniert waren. Unter den Mitarbeitern des Museums besteht die Vorstellung, das Gelände einzuzäunen und als Friedhof, der unter Denkmalsschutz steht, zu gestalten.
Im Lager Fünfeichen, so Krüger, seien neben SS-Leuten und Polizeioffizieren, Nazi-Funktionären, Lehrern und ehemaligen Wehrmachtsangehörigen auch eine große Zahl Jugendlicher interniert gewesen. Wirklich „große Fische“ habe es im Lager nicht gegeben.
Nach Krügers Angaben gab es in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) elf Internierungslager, von denen Fünfeichen im Oktober 1948 und Sachsenhausen als letztes im März 1950 aufgelöst worden seien. Gefangenenlager legalisiert durch die Direktive 38 des Alliierten Kontrollrates vom 12.Oktober 1946 - hätten nach 1945 allerdings nicht nur in der Besatzungszone der Sowjets bestanden.
Der dort praktizierte stalinistische Lagerterror „stand dem faschistischen nicht nach“, so der DDR-Historiker. Mit großer Härte und oft ohne erkennbares System sei das damalige NKWD vorgegangen. „Der Einfachheit halber“ seien nach dem Kriegsende die ehemaligen faschistischen Konzentrationslager sofort in Internierungslager verwandelt worden.
Menschen, die für die jeweilige Besatzungsmacht ein Sicherheitsrisiko darstellten, konnten danach isoliert werden, meinte Krüger. „Hitlers SS und die Gestapo hatten die von der Wehrmacht überfallenen und okkupierten Länder Europas mit einem Netz von Todeslagern überzogen - nun schlug das Pendel zurück.“
Zehntausende Männer, Frauen und Kinder sollen in den vom NKWD eingerichteten und unterhaltenen Sonderlagern der sowjetischen Besatzungszone umgekommen sein. Die Zahl werde auf 65.000 geschätzt.
Damals habe schon „ein unbedachtes Wort, der Besitz eines verbotenen Gegenstandes, eines Buches, eines simplen Nazisymbols“ genügt, um in einem Sonderlager zu verschwinden. Beispielsweise sei ein „Antifaschist“ kurz nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Neuengamme nach Fünfeichen verschleppt worden, weil er es gewagt habe, gegen die Beschlagnahmung seines Hauses zu protestieren.
Viele Menschen seien - wie in der Nazizeit - auf Grund von Denunziationen abgeholt worden. Die Mühe der Prüfung habe sich der sowjetische Geheimdienst NKWD nicht gemacht, heißt es in der 'Berliner Zeitung‘. Nach Auflösung des letzten Sonderlagers 1959 sei alles getan worden, „um die Spuren zu verwischen“. Erst heute, nach der revolutionären Wende in der DDR, meldeten sich viele Menschen, da ihnen die Angst genommen worden sei, über diese Vorgänge zu berichten.
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