Die Schweigepflicht nach Mainzer Art

■ Der Chef des Gesundheitsamts gab Patientendaten an Arbeitgeber weiter / „Die Patientin wirkt wenig kooperativ“

Mainz (taz) - Von Daten und Diagnosen hat Udo Stofft, Chef des Mainzer Gesundheitsamts, seine eigene Auffassung: Läßt sich ein öffentlich Bediensteter auf Geheiß des Arbeitgebers von ihm untersuchen, so würde er als Amtsarzt von seiner Schweigepflicht „im stillen Einvernehmen“ entbunden. „Nur noch die logische Folge“ sei dann, dem Arbeitgeber den Befund zu übermitteln. Datenschützer und die Gewerkschaft ÖTV werfen dem Mainzer Medizinmann jetzt eklatante Verstöße gegen Schweigepflicht und Datenschutz vor.

Stofft ging mit Daten mehr als großzügig um. Den Arbeitgebern der Patientin Elke Kern (Name geändert) schrieb er glattweg: „Insgesamt wirkt die Patientin undiszipliniert und wenig kooperativ. Auch in Zukunft wird mit weiteren Krankmeldungen zu rechnen sein.“ Überdies schilderte er ausführlich, wann Elke Kern wegen welcher Krankheit fehlte. Mal war's eine Erkältung, mal die Wirbelsäule, mal ein Wespenstich, mal war's der Patientin „nicht erinnerlich“.

Nicht nur Klaus Globig, rheinland-pfälzischer Datenschützer, sieht darin eine Überschreitung der Kompetenzen. Der Amtsarzt dürfe lediglich „Untersuchungsergebnisse“ übermitteln, keine Diagnose oder Vorgeschichte, im Klartext: Dem Arbeitgeber dürfe nur bescheinigt werden: die Patientin ist dienstfähig oder nicht. Für alle weiteren Auskünfte sei das schriftliche Einverständnis der Kranken erforderlich. Die aber fehlt.

Beim Mainzer ÖTV-Geschäftsführer Detlev Höhne, der die Mißstände aufdeckte, häufen sich derweil die Beschwerden. Und es sind nicht nur ÖTV-Mitglieder, die monieren, ihre Befunde seien weitergereicht worden. Auch Stofft selbst hat in einem Brief bestätigt, der Fall Kern „unterscheidet sich in nichts von ähnlichen Aufträgen. In aller Regel liegen nie Schweigepflichtsentbindungen vor.“

Höhne schätzt, daß Stofft Daten von mehr als 1.000 Patienten weitergegeben hat. Betroffen seien in erster Linie Angestellte des öffentlichen Dienstes im Umkreis von Mainz. Für die ÖTV ist diese Praxis unhaltbar: „Was, wenn der Amtsarzt dem Arbeitgeber schreibt, der Patient habe Aids, sei vermutlich homosexuell oder er habe Krebs?“

Die Mainzer Datenschutzkommission prüft noch den Fall. „Sollten wir zu dem Schluß kommen, daß hier Verstöße vorliegen“, so Globig zur taz, „dann werden wir diese stoppen.“ Detlev Höhne geht das nicht schnell genug. Ihm graut vor dem Dienstweg der Datenschützer. Bereits jetzt gebe es Verzögerungen, weil eine Stellungnahme des Mainzer Gesundheitsministers Beth (CDU) seit sieben Wochen ausstehe. Höhne sähe es am liebsten, wenn die strittige Praxis „sofort untersagt wird“.

jow