: Schwarze Utopie für zehn Jahre Rot-Grün
■ Der ehemalige CDU-Kultursenator Hassemer hat seine Vision des rot-grünen Berlins im Jahr 2000 aufgeschrieben / AL-Senatorinnen in der Nervenklinik, Senatskanzlei in der Kleingartenkolonie, und das Müllproblem ist noch nicht gelöst
Presseausschnitte vom 16.März 2000 - wenn SPD/AL bis zum Jahr 2000 regiert hätten.
-Nach der heutigen Senatssitzung brachen die AL -Senatorinnen und Senatoren zu ihrem nun schon traditionellen alljährlichen Besuch ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger in der idyllisch gelegenen staatlichen Nervenklinik am Potsdamer Platz auf, die sehr hübsch aus der ehemaligen Tulpenhalle der Bundesgartenschau 1995 hergerichtet worden ist. In dieser Tulpenhalle hatte 1995 bekanntlich die Ausstellung „Unsere Tulpe im Zentrum“ mit einer verdientermaßen großen internationalen Resonanz stattgefunden. Es war eben doch richtig, in der ehemaligen freien Volksbühne einen Supermarkt mit dem Schwerpunkt Kunst (-blätter, -honig, Koch- usw.) einzurichten und die Nervenklinik in die Abgeschiedenheit des Potsdamer Platzes zu legen.
-Auf seiner regelmäßigen Pressekonferenz in der Senatskanzlei in der Kleingartenkolonie „Frohsinn“ verteidigte der Regierende Bürgermeister Momper die Idee von Verkehrssenator Nagel zum Einsatz atomgetriebener Dienstfahrräder als einen fairen rot-grünen Kompromiß. Anders seien die Entfernungen zwischen den Diplomatensiedlungen im Spreewald und dem Regierungszentrum hinter dem Märkischen Viertel nicht zu überwinden. Momper wies einmal mehr darauf hin, daß es sich bei diesen Entfernungen um eine Erblast der Kohl-Regierung handle, die bekanntlich 1993 einfach mit dem Bau ihres Regierungsviertels außerhalb der Stadtgrenzen hinter dem Märkischen Viertel begonnen habe und den Abschluß des für das Jahr 2001 vorgesehenen Planungsverfahrens „Zum grünen Rand der Spree“ rund um das Radfahrerzentrum Unter den Linden nicht habe abwarten wollen.
-Eine AL-Mitgliederversammlung ist nun doch noch für den Monat März einberufen worden. Zwar steht das Thema Stromtrasse, weil noch nicht ausgereift, nicht auf der Tagesordnung. Dafür muß aber dringend die erhebliche Unruhe in den Reihen der AL besprochen werden, nachdem der AL -Umweltsenator zur Einweihung des modernsten Sondermüll -Entsorgungszentrums an der Flottenstraße in Reinickendorf die ehemaligen Bewohner der Umgebung nicht eingeladen hat. „Wo bleibt unsere Bürgernähe“? fragt der Chef der Vereinigten Berliner Gesundheitszentren, Dr.Köppl, dem allerdings viele seine schnelle Karriere verübeln. Gerade jetzt gab es dazu eine scharfe Glosse ausgerechnet im Wallstreet-Blatt des taz-Konzerns.
-Der Regierende Bürgermeister Momper eröffnete gestern den mit Spannung erwarteten Kongreß zum Thema „Muß auch Spontanvegetation die Traufhöhe einhalten?“ Momper forderte die Teilnehmer auf, im Sinne rot-grüner Streitkultur Ergebnise bei diesem alle bewegenden Problem nicht übereilt herbeizudiskutierten.
-Der AL-Umweltsenator bezeichnete das Wort der CDU -Opposition, „Alle wollen verreisen - warum nicht auch der Müll?“ als gezielte Diffamierung des Kooperationsvertrages zwischen Berlin und unserem polnischen Nachbarland. Erstens gebe es keine andere Lösung, und zweitens sei Berlin nicht zuletzt durch die Strategie der sogenannten Müllverschickung zu einem Mekka des umweltfreundlichen Mülltransportes geworden.
-Die Vorsitzende der AL-Fraktion wies in einer Erklärung auf neueste Untersuchungsergebnisse hin, wonach an der Havel und gerade in der Nähe des Mahnmals „Nie wieder Chaussee“ wieder Erholungssuchende, vereinzelt sogar Gruppen gesichtet worden sein sollen. Dadurch sei der Anwurf, das dort wegen des Reifenabriebs notwendig gewordene Verbot des Fahrradverkehrs beeinträchtige die Erholungsnutzung, erkennbar in sich zusammengebrochen.
-Die AL bezeichnete erneut das Programm der neuen Partei „Grüner Aufbruch 2000“ als unausgegoren und chaotisch. Der Regierende Bürgermeister Momper schließt im übrigen jede Koalition mit dieser Partei nach den kommenden Wahlen aus. Momper wörtlich:„Trauen Sie mir das zu?“ (don't worry, take Hassemer! säzzer)
Volker Hassemer
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