: „Hades“ in die Hölle!
■ Pazifisten aus Ost und West waren gemeinsam mit französischer Friedensbewegung am Stationierungsort Suippes
Paris (taz) - Ohne den eisernen Vorhang ist auch die Sicht auf die strategischen Zielscheiben deutlicher geworden: Am Sonntag machten sich potentielle Opfer der französischen nuklearen Rundumverteidigung auf zu den potentiellen Tätern. Gemeinsam mit - nach Angaben der Veranstalter - 8.000 französischen PazifistInnen demonstrierten BürgerInnen der DDR, der Tschechoslowakei und der BRD in Suippes (Marne) gegen die für 1992 geplante Aufstellung der „Hades„ -Atomrakete. Hades hat eine Reichweite von ca. 480 Kilometern und soll die Pluton-Raketen ablösen, die zur Zeit unter anderem in Suippes stationiert sind.
Im Zielgebiet der Hades-Raketen liegt nicht nur die gesamte Bundesrepublik, sondern auch Teile Sachsens, Thüringens und Böhmens - Gebiete also, in denen in Bälde kein einziger Feind mehr aufzufinden sein wird. „Die Aufstellung von Raketen, die gegen die DDR und die osteuropäischen Länder gerichtet sind, ist in der gegenwärtigen Lage absurd“, meinte deshalb Francois Biot, Mitorganisator des französischen „Mouvement pour la Paix“. In den Thinktanks der französischen Verteidigungsstrategen herrscht gegenwärtig Verwirrung. Daß die Doktrin des „Tous azimuts“, der Verteidigung in jede Richtung, mit den Entwicklungen im Osten fragwürdig, wenn nicht hinfällig geworden ist, wird von kaum jemandem bezweifelt. Doch wie jenes „europäische Sicherheitssystem“ konkret aussehen könnte, von dem Mitterrand (und Lafontaine) träumen, vermag keiner zu sagen. Und welchen Platz die „prästrategische“ Hades in einem solchen System haben könnte, ist vollends zweifelhaft.
Erst kürzlich hatten Verteidigungsminister Chevenement und der Oberkommandierende der französischen Armeen, General Schmitt, Hades für notwendig erklärt, um „die strategische Abschreckung glaubwürdig zu machen“. Die Rakete sollte als „letzte Warnung“ verstanden werden, bevor die „Force de Frappe“ eingesetzt würde. Gegen diese klassisch gaullistische Doktrin erheben sich zunehmend mehr Stimmen. Selbst der verteidigungspolitische Sprecher der RPR, Francois Fillon, hat jüngst eine „Nicht-Stationierung“ empfohlen.
smo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen