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Konservative siegen in Ungarn

Bei den ungarischen Parlamentswahlen ließen die Konservativen die Liberalen hinter sich / Die bisherige Regierungspartei USP wurde mit zehn Prozent der Stimmen hinter der Partei der Kleinlandwirte nur viertstärkste Kraft / Sozialdemokraten scheitern an Vier-Prozent-Hürde  ■  Aus Budapest Erich Rathfelder

Imre Pozsgay wirkt müde, abgehärmt und grau. Der Mann, der die politische Öffnung Ungarns erst vor Jahresfrist möglich machte, ist der größte Verlierer der Wahlen: Nach den momentanen Ergebnissen ist die bisherige Regierungspartei, die Ungarische Sozialistische Partei (USP), mit etwa zehn Prozent gerade viertstärkste Partei geworden. Und Imre Pozsgay persönlich wurde doppelt geschlagen. Mit 17,9 Prozent hat er als Dritter die Stichwahl nicht erreicht. Dagegen holte Parteifreund und Ministerpräsident Miklos Nemeth 59,97 Prozent der Stimmen, allerdings als Unabhängiger, denn kurz vor Toresschluß hatte sich der alerte Technokrat von den Sozialisten abgesetzt.

„Die ungarische Linke hat verloren“, erklärte Pozsgay auf der Pressekonferenz. Stärkste Partei wird die Mitte-rechts -Partei Ungarisches Demokratisches Forum (UDF) mit bisher 24 Prozent. Überraschend stark schnitt das Forum in Budapest selbst ab, wo es nach bisher 30 Prozent ausgezählter Stimmen mit knapp 29 Prozent führt. Auch in den östlichen Landesteilen zeichnen sich Mehrheiten für das Demokratische Forum ab. Immerhin auf knapp 28 Prozent kam der Bund Freier Demokraten in seiner Hochburg, der Hauptstadt. Doch der Traum, zur stärksten Kraft im Lande zu werden, ist für die „Sozialliberalen“ schon jetzt ausgeträumt. Mit um die 20 Prozent der Stimmen jedoch werden sie zur zweitstärksten Kraft im Parlament werden. Doch könnte bei dem komplizierten ungarischen Wahlsystem - nur Kandidaten der absoluten Mehrheit erhalten Direktmandate - noch manche Überraschung bei den Nachwahlen möglich sein. Wenn dann die beiden KandidatInnen mit den besten Ergebnissen aus der gestrigen Wahl gegeneinander antreten müssen, werden die Wähler der anderen Parteien über die Anzahl der Sitze für das Ungarische Demokratische Forum und den Bund Freier Demokraten entscheiden.

Auf der konservativen Seite hat die Kleinlandwirte-Partei mit 12 Prozent der Stimmen wie erwartet gut abgeschnitten. Die Christdemokraten werden mit ihren bisher 6,79 Prozent die Vier-Prozent-Hürde schaffen und einige Abgeordnete über Gebietslisten in die neue „Landesversammlung“, wie das Parlament jetzt heißt, entsenden können. Auf der anderen Seite hat die Jugendpartei Fidesz mit vorläufig 8,5 Prozent besser abgeschnitten als erwartet. Eine ihrer bekannten Figuren, Viktor Orbvan, erzielte in seinem Wahlkreis in Budapest über 20 Prozent und wurde damit Zweiter. Auch in anderen Wahlkreisen hat Fidesz die Stichwahl erreicht - mit 29 Prozent verwies Joszef Szajer den Fortsetzung auf Seite 2

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UDF-Kandidaten und auch Imre Pozsgay auf die Plätze. Da Fidesz den Freien Demokraten nahesteht, werden sich bei den Stichwahlen die beiden Parteien wahrscheinlich gegenseitig unterstützen.

Eingebrochen sind dagegen die Sozialdemokraten, die wahrscheinlich nicht über die erforderlichen vier Prozent der Stimmen kommen werden.

Nur in Budapest ist ihnen das knapp gelungen; die Spitzenkandidatin Ana Petrasovits, die mit gerade fünf Prozent der Stimmen unter den Erwartungen blieb, sprach am Montag von einer Kampagne gegen die Sozialdemokraten, die am schlechten

Abschneiden schuld sei.

Auch die alte Staatspartei USAP, die sich nach der Parteispaltung vom Oktober um ein neues Image bemüht hatte, wird mit bisher 3,36 Prozent unter der Vier-Prozent-Hürde bleiben.

Dagegen gewann der unabhängige Kandidat Bela Kiraly, der beim Volksaufstand von 1956 die Nationalgarde befehligte, in Kapsovar 45,43 Prozent der Stimmen.

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