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Vom Arbeitskampf zum Showdown

■ Anfang und vorläufiges Ende des Kitastreiks / Chronologie einer Niederlage / Frustrierte ErzieherInnen, blamierte Gewerkschaften, gebeutelte AL

Es begann in prähistorischen Zeiten: Als am 24. Oktober 1989 die Verhandlungen zwischen Senat und Gewerkschaften um einen Tarifvertrag abgebrochen wurden, ahnte noch niemand, daß die Ereignisse in der DDR den Verlauf des Kampfes um bessere Arbeitsbedingungen in den Berliner Kindertagesstätten nachhaltig beeinflussen würden. Auf den Senatsbeschluß Ende November, keine Tarifverhandlungen zu führen, folgten zwei Tage später die ersten Warnstreiks. Mit fast 96 Prozent stimmten die gewerkschaftlich organisierten ErzieherInnen, damals noch überaus siegessicher, in einer Urabstimmung für einen Streik. Am 11. Dezember blieben Kitas in allen Bezirken vorerst für eine Woche geschlossen. Der Senat reagierte trotz Protestes der drei AL-Senatorinnen mit Zeitungsanzeigen unter dem Motto „Gespräche statt Streik“. Mit der Ankündigung der Gewerkschaften, ab 15. Januar werde endgültig gestreikt, ging man in die Weihnachtsferien.

Anne Klein, Frauen- und Jugendsenatorin und in diesem Konflikt alles andere als mit einem guten Händchen gesegnet, setzte sich im neuen Jahr gleich wieder in die Nesseln: 248 Stellen für ErzieherInnen hatte der Senat als Kompromiß den Streikenden angeboten - für Klein ausreichend Grund, den Streik beizulegen. Die zunehmend erbosten ErzieherInnen sahen dazu allerdings keinerlei Anlaß - kaum ein Tag verging, an dem an Walter Momper nicht ein böser, offener Brief abgeschickt wurde.

Nachdem am 12. Februar der Regierende Bürgermeister Momper definitiv erklärte, es werde keinen Tarifvertrag geben, mutierte der Konflikt vollends vom Kampf um bessere Arbeitsbedingungen in einem jahrzehntelang vernachlässigten Frauenberuf zum Showdown zwischen Senat und Gewerkschaften, schließlich zwischen Senat und AL. Der Vorschlag des Landeselternausschusses, einen Vermittler einzuschalten, wanderte postwendend in den Senatspapierkorb. Ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der AL und der SPD zwang den Senat zwar noch einmal an den Verhandlungstisch, doch bekanntermaßen ohne Ergebnis. Nicht wenige befürchten, der nun ausgebreitete Scherbenhaufen - frustrierte ErzieherInnen, blamierte Gewerkschaften, eine gebeutelte AL

-könne exemplarisch sein für den Verlauf zukünftiger sozialer Konflikte in der Stadt.

anb

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